Wer trägt meinen Schmuck?

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Was da im Rahmen der Handwerksmesse und den angegliederten Schmucktagen (11.–17. März) in der Kunstakademie stattfand, könnte man durchaus mit der Erfindung des Internets vergleichen. In engerem Rahmen natürlich. Eine Vernetzung verschiedener Bereiche angewandter Kunst war die Absicht.

Das heißt: Schmuck – illustre Schmuckträger – Fotos von Schmuckträgern – Fotos von Schmuckträgern in Ausstellungen – Fotos von Schmuckträgern in Museen für Schmuck und Fotos. So könnte man den Kreis schließen. Doch zunächst nur für die ausgewählten Stücke aus den Bereichen Schmuck und Fotografie. Denkbar sind alle Sorten von künstlerischen Schnittmengen. Wir sind gespannt.

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Doch beginnen wir von vorn. curt hatte die Gelegenheit, mit den Stars des Fotoshootings – Veranstalter, Künstler, Fotografin und Fotografierte und Fans – zu plaudern und wiederum auf Fotos festzuhalten. Das wäre dann die dritte oder vierte Potenz. Mathe ist schwer.

Lois Boardman aus Pasadena in Kalifornien, eine enthusiastische Sammlerin von Schmuckkunst, kommt regelmäßig zu den Schmucktagen nach München. Sie ist stolze Besitzerin von über 300 Werken der angesagtesten Schmuckkünstler. Ihre Sammlung hat sie mittlerweile dem Los Angeles County Museum of Art gestiftet. Lois Boardman ist Besitzerin einer „goldenen Nase“. Und das sogar in doppeltem Sinne. Sie folgt ihrer Nase und kauft, was ihr gefällt. Auf diese Weise hat sie auch eine goldene Schmuck-Kunst-Nase im wörtlichen Sinn erworben. Als der Postbeamte sie fragte, was sie da in dem Päckchen nach Deutschland schicken wolle, antwortete sie: „Meine Nase!“ Der Postbeamte warf zwar einen Blick auf die Nase in ihrem Gesicht, die ja zweifellos vorhanden war, fand aber keinen Grund, ihr eine Ersatznase zu missgönnen. Im Gesicht getragen wurde die Goldnase bei Partys und ähnlichen Anlässen für eine falsche Nase gehalten. Die Leute schauten betreten weg.

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Schmucksammlerin Lois Boardman mit Flügeln

Die Grande Old Dame des Schmucks kennt die Szene von Anfang an. „Vor 50 oder 60 Jahren war das alles nicht so groß. Aber dann begannen die Museen moderne Schmuckgegenstände zu sammeln. Und jetzt kommen die bedeutendsten Museen Amerikas zu den Schmucktagen nach München, um hier einzukaufen. Die Welt des zeitgenössischen Schmucks trifft sich hier.“

Da hat sie Recht. Auch Gruppen weniger potenter Käufer sind von weit her angereist, um am Jahrestreffen der Schmuck-Götter teilzunehmen und sich einen Überblick über Trends und Neues zu verschaffen. Ein Kunstprofessor aus Melbourne, Australien, führt seine Studenten durch die Akademie und hält mit Reinhold Ludwig, dem Herausgeber von „Art Aurea“ und Initiator der Foto-Aktion, ein Schwätzchen. Die Australier sind nicht zum ersten Mal zu den Schmucktagen nach München gekommen. Und wenn es nicht so teuer wäre, kämen sie gern jedes Jahr.

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Fundstücke“-Schmuck aus buntem Glas und Knochen

Aber auch Hiesige lassen sich ablichten. Der Schauspieler Gilbert von Sohlern greift, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, zu einer Halskette aus Fundstücken. Darunter ein recht großer Knochen und Glasscherben. Warum ihm genau so etwas gefällt? „Wenn ich eine Frau wäre, würde ich so etwas tragen. Ich mag die Materialien. Nicht wie gewohnt: Schmuck = Gold. Filigrane Verbindungen von ungewöhnlichen Materialien und Formen, das mag ich.“

Fotografiert werden all diese illustren Schmuckträger von Miriam Künzli, die einen unmittelbaren Zugang zur Materie hat. Sie ist die Tochter von Professor Otto Künzli, der bis vor Kurzem Schmuckkunst und Gerät an der Akademie der Bildenden Künste gelehrt hat und zusammen mit Hermann Jünger, seinem Vorgänger, quasi Pionier des zeitgenössischen Schmucks als Kunstform ist. Normalerweise sind Porträts und Reportagen das Metier von Miriam Künzli, also nicht der Schmuck. In die Fußstapfen ihres berühmten Vaters zu treten, hätte sie als unangenehm empfunden. „Glücklicherweise hab ich ja keine Schauspieler als Eltern, deren Namen jeder kennt. Dazu ist die Szene zu klein.“ Überraschenderweise ergeben sich durch die Tätigkeitsfelder Schmuck/Fotografie Gelegenheiten zu einer Zusammenarbeit mit ihren Eltern. Eine positive und befruchtende Erfahrung, die leider nicht viele machen dürfen. „Ich hatte nie das Gefühl, im Schatten meiner Eltern zu stehen.“

Die Fotografin Miriam Kuenzli im Gespräch mit curt-Redakteurin Sonja Pawlowa
Die Fotografin Miriam Kuenzli im Gespräch mit curt-Redakteurin Sonja Pawlowa

Reinhold Ludwig ist zufrieden mit „Wer trägt meine Kunst?“, denn Schmuck ist Kommunikation in beide Richtungen. Der Schmuckträger trägt seinen Geschmack nach außen und wird angesprochen von den Menschen, die diesen Schmuck sehen. Und weil es sich um Kunstwerke handelt, nämlich um Autorenschmuck, löst solch ein Schmuck etwas aus. Was, ist unterschiedlich und das ist toll.

Fotos: Stefanie Giesder