Honig made in Minga

Über die geniale Initiative „München summt!“

Der Gasteig, das Haus der Architektur, die Seidlvilla, das Gärtnerplatztheater, die Kirche St. Maximilian und die Neue Pinakothek – sie alle haben eines gemeinsam: Im Rahmen der Initiative „München summt!“ bieten sie heimischen Bienen auf ihren Dächern eine neue Heimat.

Die Idee, Bienen auf den Dächern der Stadt zu beherbergen, war eigentlich aus der Not geboren: Jean Paucton, ehemaliger Requisiteur an der Alten Oper von Paris, musste seine Bienen wegen Beschwerden der Nachbarn notgedrungen vom Balkon aufs Land umsiedeln. Übergangsweise stellte der Hobby-Imker den Bienenstock heimlich aufs Dach seiner prominenten Arbeitsstelle. Als Jean sein Bienenvolk wieder abholen wollte, stellte er verwundert fest, dass es weitaus mehr Honig produziert hatte als seine Völker auf dem Land.

Das war 1982. Seither haben viele Städte die Idee aufgegriffen und es summt allerorten auf Deutschlands Dächern: Als Teil der Initiative Deutschland summt! – ins Leben gerufen von der Stiftung für Mensch und Umwelt – auch in München. Das Team um Ralf Armbrecht, Sigrun Lange und Harald Weiß will in Bayerns Hauptstadt Aufmerksamkeit für das Bienensterben wecken und den Stadtbewohnern verdeutlichen, wie wichtig Bienen für ein ausgewogenes ökologisches System sind.

Imker Ralf Alrmbrecht auf dem Dach des Gasteig
Imker Ralf Alrmbrecht auf dem Dach des Gasteig

Aber warum nehmen Bienen Stadt und Dach gerne als neues Zuhause an? Fühlen sie sich auf dem Land nicht wohler – fernab von Abgasen, Lärm  und Feinstaub? Nicht unbedingt! In der City bieten Balkonkästen, Parks und Schrebergärten den Bienen eine reiche Auswahl an Pollen, die auch noch länger blühen, ist es in der Stadt im Durchschnitt doch wärmer als auf dem Land. In ländlicher Umgebung stehen den Bienen zudem oft nur gespritzte Raps- und Maismonokulturen als Nahrungsquellen zur Verfügung.

Sandra Seefeld ist eine der engagierten Münchner Hobby-Imkerinnen, die mittlerweile sechs Bienenvölker ihr Eigen nennt. Zusammen mit ihrem Mann Norman kümmert sie sich jede Woche um ihre Bienenvölker auf dem Flachdach der Neuen Pinakothek. Nach einem Anfänger-Imkerkurs, der den zukünftigen Bienenpflegern alles rund um Bienen, den Umgang und die Pflege mit den Insekten und die Ausstattung erklärt, ging es recht schnell weiter. Die junge Mutter erfuhr von der Idee, Bienenvölker gewollt in die Innenstädte auf prominente Dächer zu platzieren, und nahm Kontakt mit München summt! auf.

Imker Ralf Alrmbrecht auf dem Dach des Gasteig
Imker Ralf Alrmbrecht auf dem Dach des Gasteig

Das weitläufige Flachdach der Neuen Pinakothek erschien ihr für die Bienenzucht bestens geeignet, mögen Bienen doch weder pralle Sonne noch viel Wind. Zu trinken brauchen sie natürlich auch etwas. Die Bäume der Lindenallee neben der Neuen Pinakothek spenden Schatten – check. Die Architektur des Daches schützt die Brut vor zu viel Wind – check. Durch das offene Dach der Neuen Pinakothek gelangen die Bienen schnurstracks zu dem künstlichen See, um ihren Durst zu stillen – check. Alles in einem: ein Bienen-Paradies mitten in Minga.

Auf einem Dach inmitten der City sind die Völker außerdem vor der vermeintlich größten Gefahr geschützt: andere gierige Imker. Die Nachfrage für Bienenvölker ist weitaus größer als das Angebot. Die Imkerei ist auch ein kostspieliger Zeitvertreib: Die Kosten für ein Bienenvolk belaufen sich auf rund 150 Euro. Deshalb bekommt Norman Seefeld als Vorstand des Münchner Bezirksbienenzuchtvereins e. V. oftmals auch Geschichten von bestohlenen Imkern zu hören, wenn über Nacht Völker samt Beute spurlos verschwunden sind.

Ihr habt jetzt auch Bock auf das geile süße Zeug? Dann besucht die Internetseite der Initiative München summt!. Dort könnt ihr auf einem virtuellen Stadtplan euren Wohnort eingeben und erfahrt, welche Bienen euch besucht haben und wo ihr in eurer Nähe echten Münchner Honig erwerben könnt.

>> muenchen.deutschland-summt.de

TEXT: ANTONIA RODE // FOTOS: ADRIAN LEEDER

Dieser Artikel ist in der curt Ausgabe #78 erschienen.