Neu im Kino

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Diese Woche haben wir für angehende Kinogänger gleich zwei Dramen im Angebot, bei denen es neben wunderbaren Schauspielleistungen nicht minder sehenswerte Naturlandschaften zu begutachten gibt.

„Die Wolken von Sils Maria“

Auf einer Gedenkveranstaltung lernt die französische Schauspielerin Maria Enders (Juliette Binoche) den deutschen Regisseur Klaus Diesterweg (Lars Eidinger) kennen, welcher das Stück „Maloja Snake“ neu inszenieren und sie für die Hauptrolle gewinnen möchte. Mit diesem Drama über die fatale Beziehung zwischen der Geschäftsfrau Helena und ihrer jungen Angestellten Sigrid hatte sie seinerzeit den großen Durchbruch gefeiert. Doch dieses Mal soll sie in die Rolle der Älteren schlüpfen und Sigrid dem skandalumwitterten Hollywood-Star Jo-Ann Ellis (Chloë Grace Moretz) überlassen, wovon Maria überhaupt nicht begeistert ist.

Was hat die Zeit aus mir gemacht? Bin ich immer noch die Person, die ich damals war? Marias Weigerung, ihre Figur der jüngeren Schauspielerin zu überlassen, ist sicher zum einen auf Eitelkeit zurückzuführen, schließlich möchte niemand daran erinnert werden, älter zu werden. Doch es geht hier auch um die grundsätzlichere Frage, wie viel Deutungshoheit ich eigentlich über mein Leben habe. Immer wieder gerät Maria mit anderen aneinander, weil sie die Figuren aus dem Stück anders interpretierte. Und das ist für die gealterte Schauspielerin auch ein Angriff auf sie selbst, denn wo die Rolle aufhört und der Mensch beginnt, das wird in „Die Wolken von Sils Maria“ nie so ganz klar. Es gibt keine allgemeingültige Realität, jede Geschichte wird durch die eigene Wahrnehmung zu etwas Subjektivem – das sind sicher Binsenweisheiten, wie man sie schon häufig gehört hat. Selten aber wurden sie so geschickt in den Erzählrahmen eines Films verstrickt.

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Richtige Antworten sind daher hier auch Mangelware, der Film interessierte sich vielmehr dafür, Fragen zu stellen. Wer an solchen Metaspielen keinen Gefallen findet, wird insgesamt „Die Wolken von Sils Maria“ wohl weniger abgewinnen können, denn was den konkreten Inhalt angeht, da ist das Drama recht genügsam. Gesprochen wird hier viel, gehandelt eher weniger. Gerade im ausgedehnten Mittelteil braucht man schon ein wenig Geduld, denn ein richtiges Ziel ist hier kaum mehr zu sehen. Dafür wird der Zuschauer aber immer wieder mit fabelhaften Schauspielleistungen und wunderbaren Aufnahmen der menschenleeren Natur belohnt.

Wertung: 8 von 10

Regie: Olivier Assayas // Darsteller: Juliette Binoche, Kristen Stewart, Chloë Grace Moretz, Lars Eidinger // Kinostart: 18. Dezember 2014

 



„The Homesman“

Die Reise ist gefährlich, Lohn gibt es keinen – kein Wunder, dass sich niemand darum reißt, Arabella Sours (Grace Gummer), Theoline Belknapp (Miranda Otto) und Gro Svendsen (Sonja Richter) nach Iowa zu bringen. Wer will schon alleine mit drei geisteskranken Frauen durch den Wilden Westen fahren? Die alleinstehende und gottesfürchtige Farmerin Mary Bee Cuddy (Hilary Swank) erklärt sich dennoch bereit, die Strapazen auf sich zu nehmen und erhält dabei Unterstützung von dem heruntergekommen Outlaw George Briggs (Tommy Lee Jones). Und das auch nur als Gegenleistung dafür, dass sie ihn vor dem Strick bewahrt.

Wenn ein religiöses Mannsweib auf ein respektloses Raubein wie Briggs trifft, dann ist klar, dass hier in regelmäßigen Abständen die Fetzen fliegen. Tatsächlich ist „The Homesman“, dem traurigen Thema zum Trotz, oft sogar richtig lustig. Vor allem Mary Bees vergebliche Versuche, einen Mann zu finden, sorgen regelmäßig für Erheiterung, denn angesichts ihres dominanten Verhaltens suchen die potenziellen Partner dann doch lieber das Weite. Doch sehenswert ist hier noch mehr: In traumhaften Bildern fängt der Film das staubig-raue Flair des Wilden Westens ein, in dessen Einsamkeit der eigene Tod oft der einzige Begleiter ist. Hervorragend sind aber auch die drei Nebendarstellerinnen Gummer, Otto und Richter, die oft nur Mimik und Gestik zur Verfügung haben, um ihre traurigen Hintergrundgeschichten zu erzählen.

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Dennoch gibt es durchaus Punkte, die man bei „The Homesman“ kritisieren kann – und diese betreffen in erster Linie das letzte Drittel. Schwierig ist zum einen, dass die Figuren plötzlich Verhaltensweisen an den Tag legen, die nur schwer mit dem zu vereinen sind, die wir vorher rund anderthalb Stunden sehen durften. Zusätzlich hat der Film zum Schluss auch noch mit einer gewissen Beliebigkeit zu kämpfen. Das Ende der Geschichte ist irgendwann erreicht, „The Homesman“ läuft aber weiter – ohne jedoch wirklich etwas zu erzählen zu haben. Zusammen mit dem Glaubwürdigkeitsproblem hinterlässt der seltsam ziellose Ausklang einen unschönen Nachgeschmack, der die vielen positiven Aspekte vorher zwar nicht zunichte macht, sie aber unnötig beeinträchtigt.

Wertung: 7 von 10

Regie: Tommy Lee Jones // Darsteller: Hilary Swank, Tommy Lee Jones, Grace Gummer, Miranda Otto, Sonja Richter // Kinostart: 18. Dezember 2014