Lust auf Kino? Drei Empfehlungen für die große Leinwand haben wir diese Woche für euch auf Lager. Während man an dem neuen Avengers-Auftritt ohnehin nicht vorbeikommt – selbst wenn man das will – fallen die beiden anderen eher in die Kategorie „obskurer Geheimtipp“: ein Schwarz-Weiß-Vampirfilm im Iran und eine groteske Dokumentation über eine schillernde Persönlichkeit.
„A Girl Walks Home Alone at Night“
Arash (Arash Marandi) hat einfach kein Glück im Leben: Seine Mutter ist tot, der Vater ein mittelloser Junkie, eine wirkliche Perspektive will sich ihm in der ehemaligen Industriestadt Bad City nicht bieten. Als er auch noch den mühsamen ersparten Sportwagen aus den 50ern an den Gangster Saeed (Dominic Rains), streift er niedergeschlagen durch die dunklen Gassen. Dort begegnet er eines Nachts auf dem Rückweg von einer Party einem mysteriösen, verhüllten Mädchen (Sheila Vand). Aber mehr noch als ihren Körper hält sie ein Geheimnis vor anderen versteckt: Sie ist ein Vampir, saugt anderen Menschen regelmäßig Blut und Leben aus.
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Ein iranischer Vampir-Western in Schwarz-Weiß? Da ist Neugierde vorprogrammiert. Prostitution, Drogen, Diebstahl, Gewalt, westliche Musik, außerehelicher Sex – das sind alles Sachen, die man nicht in einem iranischen Film erwarten würde. Und selbst ausgesprochenen Horrorexperten dürften nicht viele Beispiele einfallen, wo ein weiblicher Vampir mit langem Schleier auf einem Skateboard durch die Nacht rollt. Und doch würde man dem Film unrecht tun, wenn man ihn nur darauf beschränkt. Tatsächlich ist „A Girl Walks Home Alone at Night“ ein unglaublich atmosphärischer Genrebeitrag geworden: Wenn die Schwarz-Weiß-Aufnahmen aus den menschenleeren Straßen surreale Geisterbahnen machen, rutscht man selbst im sicheren Kinosessel langsam immer weiter nach unten. Einiges davon wird durch die Musik unterstützt, die 80er Jahre New Wave mit Westernmelodien, Schlagern und reinen Stimmungstücken kombiniert. Inhaltlich ist „A Girl Walks Home Alone at Night“ weniger aufregend, sieht man einmal von den feministischen Implikationen ab. Einen Namen hat die Protagonistin nicht, keine Identität, auch sprechen tut sie kaum. „Sei ein guter Junge“, sagt sie irgendwann zu einem Kind, das ihr während ihrer nächtlichen Ausflüge über den Weg läuft. „Ich werde dich beobachten.“ Bei „A Girl Walks Home Alone at Night“ ist es nicht der Weihnachtsmann, der böse Jungs bestraft, sondern eine schöne Vampirdame, die sich von niemandem etwas sagen lässt.
Wertung: 7 von 10
Regie: Ana Lily Amirpour; Darsteller: Arash Marandi, Sheila Vand; Kinostart: 23. April 2015
„Avengers: Age of Ultron“
Die Invasion der Außerirdischen wurde zurückgedrängt, es herrscht wieder Frieden auf Erden. Aber wie lange noch? Um für die Zukunft besser gewappnet zu sein, überredet (Robert Downey Jr.) den Wissenschaftler Bruce Banner (Mark Ruffalo) den Stab des Loki für ein geheimes Programm zu verwenden. Doch der Plan schlägt fehl, statt die anderen zu schützen, steht plötzlich der Roboter Ultron (James Spader) vor ihnen. Und der verfolgt zwar auch das Ziel, der Welt Frieden zu bringen, hat dabei jedoch ganz eigene Vorstellungen: Nur wenn alles vernichtet wird, herrscht endlich Ruhe. Klar, dass die Avengers nicht tatenlos zusehen wollen.
„Avengers: Age of Ultron“ hält sich recht eng an die etablierte Erfolgsformel des Vorgängers, sollen andere experimentieren, hier wird auf Bewährtes gesetzt. An ein paar Stellschrauben wird gedreht. Beispielsweise soll die eher dröge Figur des Hawkeye (Jeremy Renner) durch eine erweiterte Hintergrundgeschichte aufgewertet werden. Doch sind die Passagen viel zu kurz, um eine tatsächliche Wirkung zu entfalten, gleiches gilt für die etwas aufgesetzte Romanze. Damit wird ein Problem fortgesetzt, das bereits „The Avengers“ geplagt hatte: Der Film hat zu viele Figuren, trotz einer Länge von über 140 Minuten bleibt einfach nicht der Raum, um irgendwo in die Tiefe zu gehen. Dafür sind die launigen Kloppereien natürlich wieder mal sehr schön anzuschauen, effektmäßig spielt „Avengers: Age of Ultron“ in der obersten Liga mit. Gerade wenn alle zusammenkommen, sie ihre jeweiligen Superkräfte nutzen und in perfekt durchchoreografierten Actionszenen alles kurz und klein schlagen, dann ist das höchst schmackhaftes Popcornkino. Und auch die witzigen und selbstironischen Oneliner dürfen wieder nicht fehlen, manchmal wäre der Schritt zu einer reinen Komödie gar nicht mehr so weit. Somit bietet der 11. Beitrag des Marvel Cinematic Universe das, was man von der Reihe erwarten darf, nicht mehr, nicht weniger. >> Trailer
Wertung: 7 von 10
Regie: Joss Whedon; Darsteller: Chris Evans, Chris Hemsworth, Robert Downey Jr., Mark Ruffalo, Scarlett Johansson, Jeremy Renner, Elizabeth Olsen, Aaron Taylor-Johnson, Paul Bettany, James Spader
„Härte“
Von klein an wurde Andreas Marquardt von seinen Eltern systematisch missbraucht. Während sein Vater ihm körperliche Gewalt antat, einmal sogar die Hand brach, überredete seine Mutter ihn zu sexuellen Handlungen. Durch den Umzug in eine eigene Wohnung nahmen die Misshandlungen zwar ein Ende, doch wirklich entkommen konnte er seiner Vergangenheit so nicht. Inzwischen erwachsen geworden (Hanno Koffler) lässt er seine Aggressionen im Kampfsport heraus, aber auch als brutaler Zuhälter. Erst durch seine Gefängnisstrafe beginnt Marquardt, seine Erfahrungen zu verarbeiten – auch dank der Hilfe seiner treuen Freundin Marion (Luise Heyer).
Karateweltmeister, engagierter Wohltäter, Missbrauchsopfer, brutaler Verbrecher – Andreas Marquardt hat viele Gesichter, klar dass ein Film über einen solchen Menschen auch eher ungewöhnlich sein muss. Anfangs scheint „Härte“ noch ein Dokumentarfilm unter vielen zu sein: Marquardt plaudert eifrig aus dem Nähkästchen, seine alte und neue Lebensgefährtin Marion gibt ebenfalls ihren Senf dazu. Es ist die übliche Nabelschau, irgendwo zwischen offener Abrechnung und Selbstbeweihräucherung. Während diese erzählten Rückblicke wenig auffällig sind, sind es die nachgespielten umso mehr. Dass vergangene Szenen zwecks dramatischer Steigerung dem Zuschauer noch einmal vorgeführt werden, gehört zum bewährten Handwerk gerade von TV-Dokumentationen. Während sie dort aber zumindest versuchen, das Leben darzustellen, werden sie hier zu einem absurden Erlebnis, als habe man das Thema wiedergeben, gleichzeitig aber auch karikieren wollen. Ob es nun der Einfall ist, die Erfahrungen als Kind aus der Egoperspektive zu zeigen, ohne dass man den Protagonisten selbst je zu Gesicht bekommt, die völlig in Schwarz-Weiß gehaltenen Aufnahmen oder auch die leblos-spartanischen Einrichtungen der Wohnung: Nichts davon wirkt real, gelebt, alles ist übersteigert und grotesk, ein auf Film festgehaltenes absurdes Theater. >> Trailer
Regie: Rosa von Praunheim; Darsteller: Hanno Koffler, Luise Heyer, Katy Karrenbauer; Kinostart: 23. April 2015