Witzig, bewegend, spannend – diese Woche hat das Kino tatsächlich drei Neustarts, die nichts gemeinsam haben und doch alle sehenswert sind. Wir verraten euch vorab schon einmal, was euch bei den Filmen erwartet.
„Her“
Der Höhepunkt der Woche ist eine etwas andere Liebesgeschichte: Angeregt von einer Werbung leistet sich Theodore Twombly eines dieser neuartigen Betriebssysteme, die komplett individualisiert sein sollen. Bye bye Allzwecklösung, willkommen Samantha. Auf diesen Namen hört seine neue Begleitung nämlich, die nach dem Beantworten einiger persönlicher Fragen exklusiv für Theodore zusammengestellt wurde. Sie erledigt nicht nur den Schreibkram für ihn und sucht Lieder für ihn raus, sie ist auch eine ständige Ansprechpartnerin für ihn. Und genau das braucht er, nachdem er immer noch unter der Trennung von seiner Frau Catherine leidet. Und wie das nun mal so ist, wenn man viel Zeit miteinander verbringt, es entwickeln sich Gefühle, man kommt sich näher – und das ist gar nicht so einfach, wenn der andere überhaupt keinen Körper hat.
Ernst gemeinte Romanze oder vielleicht doch spöttische Gesellschaftssatire? Das ist hier kaum zu unterscheiden. Die meiste Zeit über ist „Her“ nämlich in erster Linie witzig. Wenn Theodore und Samantha zwischendurch sogar Sex haben oder Frau Betriebssystem einen Hang zur Eifersucht zeigt, dann wird es herrlich absurd. Auch sonst lässt Regisseur und Drehbuchautor Spike Jonze keine Gelegenheit aus, sich über die neuen Technologien lustig zu machen. Und doch ist „Her“ alles andere als ein kalter Film, vielmehr voller Wehmut, Nostalgie und Menschlichkeit. Am stärksten ist „Her“ dann auch gar nicht während der vielen komischen Szenen – so gut diese auch sind –, sondern bei den kleinen, zwischenmenschlichen. Wenn es gar nicht um Technik geht, sondern um Einsamkeit, die fehlende Gemeinschaft und die Suche nach Halt.
Wertung: 8 von 10
Regie: Spike Jonze; Darsteller: Joaquin Phoenix, Scarlett Johansson, Amy Adams, Chris Pratt, Rooney Mara; Kinostart: 27. März 2014
„The Return of the First Avenger“
70 Jahre war Steve Rogers im Eis eingeschlossen, kaum verwunderlich also, dass der Kriegsheld seine Probleme hat, wieder ins normale Leben zurückzufinden. Glücklicherweise hat er dazu aber ohnehin kaum Gelegenheit. Ein Schiff von S.H.I.E.L.D. wurde von Terroristen besetzt und Rogers soll zusammen mit Black Widow und weiteren Einsatzkräften die Besatzung befreien. So der Auftrag. Genauer, so sein Auftrag. Seine Partnerin sollte zusätzlich Informationen vom Bordcomputer besorgen, denn deren Boss Nick Fury vermutet, dass sich in ihren Reihen ein Verräter befindet. Doch der wird bald vom Jäger zum Gejagten, als Fury selbst zum Verräter erklärt wird. Und auch Captain America und Black Widow sind auf der Flucht und müssen im Geheimen versuchen, dem Komplott auf den Grund zu gehen. Und als wäre das nicht schlimm genug, taucht bald noch der mysteriöse Auftragskiller Winter Soldier auf.
Originell sind Verschwörungen und aufrechte Widerstandskämpfer natürlich nicht, ihren Zweck erfüllt die Geschichte aber allemal und ist vor allem gut umgesetzt. Die Kämpfe sind zahlreicher und flotter als noch in Teil, das Drumherum erstaunlich düster. Deutlich reduziert wurden hingegen die humorvollen Einlagen. Auf der einen Seite hat das dem Film gut getan, „Captain America: The First Avenger“ ist ungleich spannender und auch wenn das meiste natürlich vorhersagbar ist, die krachenden Actionszenen, die vielen Explosionen und die aufwendige Technik lassen einen doch am Ball bleiben. Gleichzeitig ist es irgendwie schade, dass die Comicfigur durch die Überarbeitung doch so viel an Persönlichkeit eingebüßt hat. „The Return of the First Avenger“ ist ein unterhaltsamer und packender Spionage- und Politthriller, kein Zweifel. Aber einer, bei dem es keinen Unterschied mehr macht, wer der Protagonist ist.
Wertung: 7 von 10
Regie: Anthony Russo, Joe Russo; Darsteller: Chris Evans, Scarlett Johansson, Samuel L. Jackson, Robert Redford, Anthony Mackie, Sebastian Stan; Kinostart: 27. März 2014
„Banklady“
Deutschland, Mitte der 60er. Gisela Werler ist eine von denen, die dem Alltag in ihren Träumen zu entkommen versuchen. Wenn sie doch nur weg könnte von allem! Von der eintönigen Arbeit in der Tapetenfabrik, wo sie Tag für Tag für wenig Geld schuftet. Von ihren Eltern, bei denen sie mit dreißig immer noch lebt und die sie mit ihrem kläglichen Gehalt auch noch durchfüttern muss. Und von ihrem Kollegen Uwe. Der ist zwar der einzige, der sich für sie zu interessieren scheint, aber insgeheim hofft Gisela, doch noch jemand aufregenderen zu finden. Und der steht eines Tages plötzlich in ihrem Zimmer: Peter heißt er und ist ein Bekannter von Uwe. Ein Mann zum Verlieben, was Gisela auch sofort tut. Dass er auch noch Bankräuber ist, stört dabei nicht weiter, im Gegenteil. Gisela besteht darauf, selbst mitzumischen und recht schnell findet das Mauerblümchen Geschmack am Verbrecherdasein und dem neuen Luxusleben.
Kaum zu glauben, aber wahr: Gisela Werler gab es tatsächlich und wurde Mitte der 60er als erste Bankräuberin Deutschlands zu einer Mediensensation. Christian Alvart schafft es sehr schön, den Zuschauer zurück in diese Zeit zu schicken, als Blümchentapeten hiesige Wohnzimmer zierten, jeder zweite einen Käfer fuhr und eine Fleischwurst das El Dorado deutscher Spießigkeit war. In der ersten Hälfte lockert der krimi- und thrillererfahrene Regisseur seinen Genrebeitrag zudem mit einer Menge Witz auf. Doch die komischen Elemente werden später seltener, als Alvart zunehmend die unglückliche Liebe Giselas zu Peter in den Vordergrund stellt. Dank der beiden glänzend aufgelegten Hauptdarsteller gerät „Banklady“ aber auch bei dem Stimmungswechsel nicht ins Schlingern. Negativ fallen nur das übertriebene Finale und der eindimensionale Kommissar Fischer auf, der als besessener Gegenspieler der beiden herhalten muss.
Wertung: 7 von 10
Regie: Christian Alvart; Darsteller: Nadeshda Brennicke, Charly Hübner, Andreas Schmidt, Ken Duken; Kinostart: 27. März 2014
TEXT: Oliver Armknecht