Birgit Sonnenberg curt München
Foto: Johannes Mairhofer

Im Gespräch: Birgit Sonnenberg vermittelt Paten

Nomen est omen. Seit sieben Jahren versetzt Birgit Sonnenberg ihrem Namen entsprechend Berge vom Schatten ins Sonnenlicht. Sie vermittelt ehrenamtliche Paten für Kinder psychisch erkrankter Eltern. Birgit Sonnenberg erklärt curt, um was es geht.


Welche Idee steht hinter der Patenschaft?

Psychisch kranke Mütter bekommen viel Unterstützung. Da gibt es Psychotherapeuten, Psychiater und Sozialpädagogen. Aber was ist mit ihren Kindern? Die fallen unten durch. Wir wollen diese Kinder stärken, damit sie gesund aufwachsen.
Psychisch kranke Eltern sind in Krisenzeiten mit den alltäglichen Aufgaben überfordert. Für ihre Kinder stellen Paten als zusätzliche Bezugspersonen einen Anker dar. Kinder und Paten verbringen gemeinsam ihre Freizeit und geben den Eltern die Gewissheit, dass da ein Freund in der Not einspringt. Sogar über Nacht.

Zeitaufwand?
Ein Tag pro Woche. Natürlich sind die Paten auch mal im Urlaub. Übers Jahr gesehen ist es etwas weniger. Wichtig ist das Verbindliche. Der Pate legt sich für Jahre fest. Die Kinder haben schon so viele Beziehungsabbrüche erlebt, da soll wenigstens der Pate verlässlich sein. Lebenslänglich in Anführungszeichen.

Wer ist Pate?
Obwohl die Trägerschaft der Sozialdienst katholischer Frauen übernommen hat, müssen Paten weder katholisch noch Frauen sein. Die meisten Paten sind nicht extra christlich oder religiös. Jedoch sind es erstaunlicherweise oftmals sehr bescheidene Menschen, die das Große, das sie tun, nicht an die große Glocke hängen. Es gibt unter den Paten sogar Studenten, die sagen: „Ich hatte eine sorglose und glückliche Kindheit. Ich hab das Gefühl, dass ich das teilen und weitergeben muss.“ Respekt!

Voraussetzungen?
Jeder Pate muss ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, außerdem Hausbesuche unsererseits zulassen und Schweigepflichtsvereinbarungen unterschreiben. Wir gucken uns die Paten sehr genau an in Hinsicht auf: Wie lange bleibt ihr in München? Wie belastbar seid ihr?
Natürlich weiß man nie, wie sich die Dinge entwickeln. Nach einem Jahr ist oftmals die Luft raus. Anfangs ist alles neu und spannend, aber dann wiederholen sich Dinge. Dann ist es wichtig, die Paten durch dieses Motivationstief zu führen. Wir geben Ideen und Anregungen und tun alles, um die Paten bei Laune zu halten. Für die Kinder ist das elementar wichtig, dass die Paten bleiben und dass sie nicht enttäuscht werden.

Erwartungen?
Die Paten sollen eine gute Zeit mit den Kindern verbringen. Freizeit. Nicht Nachhilfe geben. Die Paten sollen so was wie Oma und Opa sein, auch wenn sie noch Studenten sind. Eben jemand, den man gut kennt und mit dem man einen schönen Tag verbringt. Freizeit, was Tolles machen, auch ein bisschen verwöhnen.
Die Patenkinder dürfen, wenn sie das möchten, zu den Paten nach Hause. So eine andere Normalität kann viel geben. Da werden z. B. Plätzchen gebacken mit den Paten. Eines der Patenkinder geht zu seiner Patin, um dort Müsli zu essen. Das findet das Patenkind total toll. Ein anderes Kind liebt die Wohnung des Paten, weil es dort so still ist. Die Mutter schreit oft nachts und da genießt das Kind die Ruhe bei der Patin. Die Paten zeigen den Kindern, dass es verschiedene Arten zu leben gibt. So gesehen sind Paten auch Vorbilder.

Enttäuschungen?
Es kommt vor, dass Paten abspringen. Die Mütter eigentlich nicht. Da gibt es verschiedene Gründe. Zum einen Veränderung in der Lebenssituation des Paten. Umzug in eine andere Stadt oder eigene Kinder oder Enkel, die keine Zeit mehr für die Patenschaft lassen.
Es kann aber auch sein, dass die Paten mit falschen Vorstellungen an die Sache herangegangen sind. Meistens mit der Vorstellung, „Ich werde das Kind retten und alles verändern“. Wenn sie aber merken, dass die Systeme sich nicht verändern, sind diese Paten sehr frustriert. Wir begleiten die Paten zwar sehr gut, aber manche kann man dann nicht halten.
Wer sich große Dankbarkeit erhofft, wird sicher enttäuscht. Dennoch bekommen die Paten sehr viel zurück. Die Kinder freuen sich einfach, auch wenn sie es am Anfang vielleicht nicht gleich so zeigen. Die Paten erzählen: „Die Kinder stehen am Fenster, wenn ich komme.“ Und obwohl es manchmal ganz schön schwer ist weiterzumachen, wenn die Mütter in den Krisen sind, bleiben die Paten dabei. Da gibt es dauernd Auf und Abs. Die Kinder kommen gelegentlich ins Heim und wieder zurück, dann passiert es wieder. Oder die Mütter sind persönlichkeitsgestört und weigern sich, den Paten hereinzulassen, rufen dann aber wieder an: „Wann kommst du denn wieder?“
Die Paten müssen ganz schön was aushalten. Allerdings haben sie auch viel Spaß mit den Kindern. Wir begleiten die Paten auf Treffen und Gesprächsrunden, die jeden Monat stattfinden. Da gibt es was zu essen und zu trinken, da laden wir Fachkräfte ein zur Unterstützung. Wir feiern auch Feste. Die Paten agieren ja ehrenamtlich. Sie sollen was davon haben. Wir wollen sie nicht ausnutzen.

Muss man reich sein, um Pate zu werden?
Reich sein eigentlich nicht, aber Zeit muss man haben. Einer, der selbst mehrere Jobs hat, um seinen Lebensunterhalt zu erarbeiten, hat diese Zeit wohl eher nicht. Aber reich muss man als Pate nicht sein. Alles, was der Pate mit dem Kind unternimmt, kann über das Jugendamt abgerechnet werden. Eintrittkarten, Fahrten … Die Paten bekommen eine Aufwandsentschädigung, aber bezahlt werden sie nicht. Allerdings nehmen das viele Paten nicht in Anspruch. Studenten oder arme Rentner schon. Der Besuch einer teuren Ausstellung soll keinesfalls am Geld scheitern.

Wer sind die Eltern der Patenkinder?
Meistens sind es alleinerziehende Mütter, die sich selbst bei uns melden. Oft werden sie von Psychiatern oder in Einrichtungen auf unser Projekt hingewiesen. Es ist klar, dass sie es in einer Depression nicht schaffen werden, sich bei uns zu melden. Das ist gut so. Die Eltern sollen sich in einer stabilen Phase befinden und es nicht bereuen, sich auf das Projekt eingelassen zu haben. Wir steigen also in einer guten und stabilen Phase der Eltern ein. Die alleinerziehenden Mütter haben im Normalfall kein soziales Umfeld, also keine Omas und Opas, die auch mal einspringen. Sonst hätte auch der Pate keinen Platz.

Gibt es Sprachbarrieren oder Probleme mit dem kulturellen Hintergrund?
Die Hälfte der Kinder hat Migrationshintergrund. Einige haben Eltern aus einem anderen Kulturkreis wie z. B. Afrika. Eine Patin hat immer ein Übersetzungsgerät dabei. Die Kinder können ja meistens ganz gut Deutsch, weil sie in den Kindergarten gehen. Aber Absprachen mit den Müttern sind mitunter ganz schön kompliziert und gehen nicht telefonisch. Meistens übersetzen die Kinder.

Äußern sich die Patenkinder?
Einmal war ein Patenkind sehr enttäuscht von seiner Patin. Die war über ein halbes Jahr untergetaucht. Und da war das Kind sauer, hat nicht mehr mit ihr geredet und wollte diese Patin nicht mehr, weil sie so unzuverlässig war. Aber abgebrochen haben die Kinder selten. Allenfalls in der Pubertät. Dass eine persönliche Antipathie vorlag, ist eigentlich nie vorgekommen.

Wir danken für das Gespräch.


Sozialdienst katholischer Frauen e.V. München // Patenschaften für Kinder psychisch kranker Eltern // Birgit Sonnenberg // Tel. 089/55981-234 // patenschaften@skf-muenchen.de // www.skf-muenchen.de

Foto: Johannes Mairhofer