Kino: Die perfekte Kandidatin

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Was genug ist, ist genug! Immer wieder hat die in einer saudi-arabischen Kleinstadt arbeitende Ärztin Maryam (Mila Al Zahrani) darauf aufmerksam gemacht, dass die Zufahrt zum Krankenhaus erneuert werden muss. Viel zu oft, gerade bei Regen, kommen die Autos nicht durch, was den Krankentransport deutlich erschwert. Aber hört jemand auf sie? Nein. Nachdem ihre Teilnahme an einer Konferenz in Dubai scheitert, kandidiert sie für den Gemeinderat, um die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Einfach ist das jedoch nicht, schließlich ist der aktuelle Vorstand beliebt und mächtig. Sie wiederum ist eine Frau, weshalb ihre Siegeschancen quasi gegen Null gehen …

Vor achte Jahren schrieb Haifaa Al Mansour Filmgeschichte, als sie mit „Das Mädchen Wadjda“ den ersten komplett in Saudi-Arabien gedrehten Film inszenierte. Mit „Die perfekte Kandidatin“ kehrt sie in ihr Heimatland zurück und zeigt uns eine Gesellschaft, die gerade ein wenig im Wandel ist, aber noch viel in alten Regeln und Ansichten feststeckt. Für ein westlichen Publikum gibt es schon früh einige Erlebnisse, die so absurd erscheinen, dass man nicht weiß, ob man herzhaft lachen oder entsetzt sein sollte. Wenn ein älterer Herr sich im Krankenhaus nicht von Maryam behandeln lassen will und sie von Vorgesetzten nicht ernst genommen wird, dann ist das vielleicht nicht so weit weg von hiesigen Zuständen, wie man gern hätte. Diskriminierung von Frauen ist schließlich nach wie vor ein Thema. Dass erwachsene Frauen aber ohne schriftliche Erlaubnis eines männlichen Verwandten nicht verreisen können, da dürften selbst Chauvinisten erst einmal verdutzt sein.

Das sind nur zwei der vielen Beispiele, die Al Mansour und ihr Co-Autor Brad Niemann einbauen. „Die perfekte Kandidatin“ schwankt dabei zwischen mehreren Stimmungen hin und her. Der Film erzählt eine dramatische Geschichte, die jedoch von vielen leichteren Momenten aufgelockert wird. Da gibt es beispielsweise einige schöne Szenen innerhalb der Familie, sowohl zwischen den Schwestern wie auch mit Familienoberhaupt Abdulaziz (Khalid Abdulrhim), der gerade als Musiker durchs Land tourt.

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Ein bisschen irreführend ist der Titel dann auch. Während die Kandidatur der Ärztin vieles in Bewegung setzt, handelt „Die perfekte Kandidatin“ nur zum Teil davon. Al Mansour greift das Thema immer wieder auf, oft in Zusammenhang mit satirischen Einfällen. Sie lässt es jedoch zwischendrin immer wieder ruhen, um stattdessen andere Entwicklungen in dem Land aufzuzeigen oder sich um die Figuren zu kümmern. Auf die Weise kommen auch die Anhänger und Anhängerinnen warmherziger Momente zum Zug, die sich an der allmählichen Annäherung gleich mehrerer Figuren erfreuen dürfen.

Schön ist dabei auch der Versuch, sich von starren Schwarzweiß-Zeichnungen zu lösen. Abdulaziz bewunderte beispielsweise seine Frau dafür, dass sie sich nichts sagen ließ. Er versucht auch, seine Töchter auf ihren Wegen zu unterstützen. Und auch sonst gibt es Männer, die ihren Beitrag zum Wandel leisten möchten, aus verschiedenen Gründen. Umgekehrt dürfen die Frauen ein paar Macken haben und unterschiedliche Ansichten pflegen, was angemessenes Verhalten bedeutet. Maryam selbst ist sich nicht immer sicher, wechselt unterwegs die Spur. „Die perfekte Kandidatin“ verdeutlicht auf diese Weise, dass nicht allein der Weg zum Krankenhaus ein bisschen holprig ist. Dass es sich aber lohnt dranzubleiben, selbst wenn es mal länger dauern sollte, ans Ziel zu kommen.

Fazit: In „Die perfekte Kandidatin“ will eine Ärztin eine neue Zufahrt für ihr Krankenhaus, wird dadurch zur Vorreiterin für Frauenrechte. Die Tragikomödie greift das ernste Thema auf, kombiniert es mit einem Porträt des sich wandelnden Saudi-Arabiens. Der Film setzt dabei zwischendurch sowohl auf humorvolle Absurdität wie auch Warmherzigkeit.

Wertung: 7 von 10

Besetzung: Mila Alzahrani, Dae Al Hilali, Nora Al Awadh, Khalid Abdulrhim, Shafi Al Harthy; Kinostart: 12. März 2020