Nix Hollywood, stattdessen geht es nach Chile, Argentinien, Rumänien und Südkorea. Wir haben uns umgeschaut, was es derzeit vom Thrillermarkt so zu berichten gibt und sind dafür einmal um den Globus gejettet.
„To Kill a Man“
Mit dieser Gegend geht es immer weiter den Bach runter, davon ist Marta (Alejandra Yáñez) überzeugt. Vor allem der Sportplatz ist zu einem gefährlichen Pflaster geworden, seitdem eine Gruppe Krimineller ihn für sich entdeckt hat, schikaniert, bedroht und bestiehlt, wer auch immer den Fehler macht, dort vorbeizukommen. So wie Martas Mann Jorge (Daniel Candia), der auf dem abendlichen Nachhauseweg von der Bande ausgeraubt wird. Als sein Sohn Jorgito (Ariel Mateluna) von Anführer Kalule (Daniel Antivilo) lebensgefährlich verletzt wird, kommt der Verbrecher zwar in den Knast. Doch damit fangen die Probleme erst an, denn nach seiner zweieinhalbjährigen Haftstrafe sinnt Kalule auf Rache. Und zwingt damit irgendwann Jorge, selbst tätig zu werden.
[display_video youtube=6PhrtP7WPAg]
Klein, untersetzt, durchsetzungsschwach, ängstlich, man hätte sich wohl keine unpassendere Hauptfigur für einen Rachethriller ausdenken können. Doch genau darin liegt der Reiz des chilenischen Films. „To Kill a Man“ will kein blutrünstiges Guilty Pleasure sein, mit ausgefeilten Actionchoreographien und eisgekühlten Machosprüchen. Stattdessen wird gezeigt, wie ein einfacher, nicht übermäßig souveräner Mensch durch genug Druck zu Verzweiflungstaten gezwungen werden kann. Entsprechend ruhig ist Almendras’ Film auch geworden, hier geht es weniger um einzelne Ereignisse, sondern um Stimmung. Zwischenzeitlich tut sich nicht viel, was manchmal etwas langweilig ist. Dafür erzeugt der chilenische Film durch düstere Bilder, lange Kameraeinstellungen und eine sehr sparsame Musik ein beklemmendes Gefühl.
Wertung: 6 von 10
Regie: Alejandro Fernández Almendras; Darsteller: Daniel Antivilo, Daniel Candia, Ariel Mateluna, Alejandra Yáñez; VÖ: 1. August 2014
„7th Floor – Jede Sekunde zählt“
„Es wird nicht wieder das Treppenhausspiel gespielt, sonst fallen sie noch hin.“ Wenigstens dieses eine Mal hätte Sebastián (Ricardo Darín) ja auf seine Ex-Frau Delia (Belén Rueda) hören können. Aber seit ihrer Scheidung und den damit verbundenen Strapazen, seine beiden Kinder zu sehen, kann er ihnen keinen Wunsch abschlagen. Doch bald schon bereut er, sich auf das Spiel eingelassen zu haben, wer schneller ist: er mit dem Fahrstuhl, die Kinder per Treppe. Denn als er unten ankommt, sind Luca und Luna nirgends zu sehen. Auch als sich der Portier Muigel (Luis Ziembrowski) und der benachbarte Polizist Rosales (Osvaldo Santoro) an der Suche beteiligen, bleiben die Kleinen spurlos verschwunden. Und so langsam schwant dem Suchtrupp etwas Übles: Was, wenn sie jemand auf dem Weg nach unten entführt hat?
[display_video youtube=etr8AXWM7Ok]
Die erste Hälfte ist richtig spannend geworden, wenn auch zu hektisch. In die Irre führende Spuren gibt es, doch die halten meist nur ein paar Sekunden, bevor sie sich als falsch erweisen. Damit wird zwar eine schön paranoide Stimmung erzeugt, bei der so ziemlich jeder mal an den Pranger kommt. Richtig befriedigend ist die Verbrechersuche jedoch nicht. Richtig problematisch wird es jedoch, als der argentinisch-spanische Film den Fuß vom Gaspedal nimmt und die Stakkatoverdächtigungen gegen eine weitläufigere Suche eintauscht. Erinnert „7th Floor – Jede Sekunde zählt“ anfangs noch an ein Kammerspiel, wird daraus in der zweiten Hälfte ein recht gewöhnlicher Entführungsthriller, dessen logischer Unterbau zudem immer wackliger wird. Ordentlich unterhalten wird man insgesamt schon, aber nach dem starken Anfang wäre sicher mehr wünschenswert gewesen.
Wertung: 5 von 10
Regie: Patxi Amezcua; Darsteller: Ricardo Darín, Belén Rueda, Luis Ziembrowski, Osvaldo Santoro; VÖ: 22. Juli 2014
„Killing Time – Zeit zu sterben“
Worüber unterhalten sich eigentlich Auftragskiller, während sie auf ihren nächsten Einsatz warten? Die neuesten Waffen? Spannende Einsätze? Die unsichere Rentenversorgung? Falsch, man wendet sich wesentlich essenzielleren Themen zu: Wer ist der stärkere Superheld, Batman oder Spiderman? Zumindest ist es das, womit sich die beiden professionellen Todbringer (Florin Piersic Jr. und Cristian Gutau) die Zeit vertreiben, wenn sie gerade nicht rauchen, essen oder Tischtennis spielen. Doch das ist erst der Beginn ihrer Meinungsverschiedenheiten, die sich in einer zunehmend gespannten Atmosphäre niederschlagen. Und das hätte es in der Situation nicht gebraucht, sind die Nerven des einen ohnehin angekratzt, seitdem sein Sohn im Krankenhaus liegt.
[display_video youtube=3d-8azaCD0w]
Wenn sich die beiden skurrilen, erschreckend gewöhnlichen Killer über recht willkürliche Themen unterhalten, sind wir ganz weit weg von den im Genre üblichen übercoolen Tötungsmaschinen. Und auch bei der Inszenierung setzt „Killing Time“ auf eine Abkehr von Hochglanz. Mit einer unruhigen Kamera wird hier auf die Akteure gehalten, Ablenkung durch Musik, rasant geschnittene Actionszenen oder häufig wechselnde Schauplätze gibt es nicht. Stattdessen wird fast schon dokumentarisch festgehalten, wie die beiden Männer die Zeit bis zum Einsatz totschlagen. Das ist faszinierend und irgendwo auch spannend, denn man ahnt früh, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis dieses spielerische Rumgeplänkel seine Grenze erreicht. Gleichzeitig riskiert man durch die Ereignislosigkeit aber auch, sein Publikum zu verlieren, beim rumänischen Thriller ist Geduld ein Muss.
Wertung: 6 von 10
Regie: Florin Piersic Jr.; Darsteller: Florin Piersic Jr., Cristian Gutau; VÖ: 25. Juli 2014
„The Suspect“
Ein neues Leben wollte der ehemalige Superspion Ji Dong-chui (Yoo Gong) anfangen, als er sich aus Nordkorea in den Süden absetzt. Doch daraus wird nichts, als sein Chef, ein mächtiger Firmen-Vorsitzender, ermordet und er zum Hauptverdächtigen ernannt wird. Während ihm nun Colonel Min Se-hoon (Park Hee-son) auf den Fersen ist, der noch eine persönliche Rechnung offen hat, ist Ji selbst auf der Jagd. Er will endlich den Mörder seiner Familie schnappen. Und nebenbei kommt er auch noch einer großen Verschwörung auf die Spur, der er mit der Reporterin Choi Kyeong-hee (Da-in Yoo) nachgeht.
[display_video youtube=pDGBNvQCMy0]
Ein südkoreanischer Spionagethriller, das kann leicht unschöne nationalistische Färbungen annehmen. Doch glücklicherweise wird auf eine allzu eindimensionale Charakterisierung verzichtet, Bösewichter findet man hier auf beiden Seiten. Tatsächlich gibt es anfangs schon fast ein bisschen zu viel Komplexität. Viele Figuren warten auf den Zuschauer, und ebenso viele Handlungsfäden. Zunächst verheddern die sich auch kräftig und man braucht eine Weile, bis man das Chaos durchschaut. Dafür ist die Umsetzung ohne jeglichen Schnörkel: Die geradlinige Action ist gut in Szene gesetzt, die Verfolgungsjagden machen Laune und einige schick einstudierte Nahkampfeinsätze dürfen wir auch bewundern. Wenn man „The Suspect“ etwas vorwerfen kann, dann ist das neben der fehlenden Originalität die Dauer: Mit 133 Minuten ist der Film zu lang für das, was er erzählen will.
Wertung: 6 von 10
Regie: Won Sin-yeon; Darsteller: Yoo Gong, Park Hee-son, Seong-ha Jo, Da-in Yoo; VÖ: 25. Juli 2014
TEXT: OLIVER ARMKNECHT