Im Gespräch: Wanda

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Wanda, Ciao!

Die Schönen Fünf aus Wien sind wieder da – und waren ja eh nie wirklich weg. Wanda haben im September ihr viertes Album auf den Markt gebracht und werden 2020 hauptsächlich eines tun: touren, touren, touren. Damit knüpfen sie nahtlos an ihre Erfolgsgeschichte der letzten wenigen Jahre an, in denen die Karriere des Quintetts durch die Decke schoss.

Ja, eine echt Verschnaufpause gönnen die Jungs sich und ihren Fans kaum, doch ehe wir am 29. Februar ein Wiedersehen mit Wanda in der Olympiahalle auf großer Bühne feiern, trafen wir uns schon mal mit Manuel und Marco, sprachen über die neue Platte „Ciao!“, Elton John und den besten Rapper Deutschlands.

Ersteinmal ciao und herzlichen Dank für eure Zeit! „Ciao!“ so heißt das  mittlerweile vierte Wanda-Album. Und es ist ein Album mit einigen Neuheiten. So finden wir darauf 14 statt 12 Lieder, darunter ein Instrumentalstück sowie ein Song mit Christian am Mikrofon. Ein schönes Gatefold habt ihr der Vinyl-Variante ebenfalls spendiert. Sind das alles Zufälle oder ist das ein Schritt in eine bestimmte, größere Richtung?

Marco: Das war alles ein bissi … wie sagen wir es … hippie-nesker? Wir sind in ein Haus gegangen und haben dort zehn Tage gelebt, gekocht und gegessen. Aber auch eben gemeinsam Musik gemacht. Das war sehr interessant, denn so haben wir noch nie gearbeitet. Wir waren bis jetzt sehr verstreut und mal hier eine Woche im Studio, mal da, aber auch viel zu Hause. Jetzt haben wir mal versucht, einfach zu sehen was passiert, wenn wir gemeinsam in einem Haus leben und versuchen, das Gefühl, das wir auch auf Tour haben, wenn wir zusammen sind, auf Platte zu bringen. Das hat die Musik sicher auch ein wenig verändert. Es war eine schöne Zeit und sehr interessant so zu arbeiten.

Die Songs kommen aber weiterhin maßgeblich aus deiner Kiste oder hat sich auch das verändert?

Das ist schon im Kern immer noch die Arbeitsweise. Aber natürlich passieren die Dinge anders, wenn man da vor Ort ist. Man merkt es der Platte auch an. Sie klingt anders, hat einen anderen Sound und eine andere Atmosphäre. Mir ging es nicht gut als ich sie geschrieben habe. Ich halte sie auch für unsere schwächste …

Cut! CUT!!!

Marco: Nein, kein Problem. Sie hat was sehr Schmerziges wie ich finde. Ich glaube das Wort „Weh“ kommt gefühlt 160.000 Mal vor …

Und hat Amore abgelöst?

Marco: Mhm. Und ich habe irgendwie auch anders geschrieben. Ich habe nicht mehr so verschlüsselt geschrieben, wie ich das sonst gemacht habe. Ich habe auch nicht mehr Geschichten so nach hinten erzählt, wenn man so will. Die anderen Alben haben sich deutlich mehr aufeinander bezogen. Thematisch, aber auch in Form von Figuren, die immer wieder auftauchen. Die anderen Platten liegen irgendwie in einem CD-Regal auf der Erde und diese Platte liegt entweder auf dem Mars oder verbrennt gerade in der Sonne. Die Platte ist etwas völlig anderes irgendwie.

Es gab ein großes Raunen als der Album-Titel und auch das Artwork bekannt wurden. Das Wort „Ciao!“ und dann die Rückseite eines großen Schiffes. War dir die doppelte Bedeutung von „Ciao!“ durchaus bewusst, ein gezieltes Spiel auch?

Marco: Bei den Italienern ist es ja auch so ein bipolares Wort, nicht nur bei euch. Ich muss ehrlich sagen, als ich den Titel gewählt habe… ich wusste ehrlich gesagt wirklich nicht, ob oder wie es weitergeht. Sowohl ob man künstlerisch noch etwas beitragen kann zum Kanon deutschsprachiger Popmusik, als auch, ob die Leute das überhaupt noch hören wollen. Der Titel bringt für mich schon eine gewisse Unsicherheit zum Ausdruck, die glaube ich bei uns allen geherrscht hat.

Auweh…

Marco: Wir kamen aus Österreich mit einem Nummer-Eins-Album mit Nummer-Eins-Single und mehrfach Platin. Wir haben die mit Abstand größte Tour 2017/2018 für mehrere hunderttausend Menschen gespielt, die wir je gemacht haben. Und das in gefühlt allen deutschsprachigen Städten. Aus diesem ganzen Wahnsinn kommend, wussten wir eigentlich nicht, ob es nochmal so hochhinaus gehen kann. Das war schon die Frage. Aber ich wollte auch ein wenig damit spielen. „Was ist, wenn sie sich jetzt auflösen?“ Aber ich konnte das nicht durchziehen. Ich konnte nicht vor Kollegen und Journalisten sitzen und das spielen. Wir würden niemals aufhören.

Da würden Wanda zwar einigen Leuten einen Gefallen tun, doch wenn ich mir die Größenordnung eurer anstehenden Tour ansehe, wäre das Meer aus Tränen vermutlich größer.

Marco: Oh, ich habe durchaus das Gefühl, dass wir für einen bescheidenen Menschenkreis im deutschsprachigen Raum irgendwie wichtig geworden sind. Weil wir Dinge übers Leben erzählen, die niemand so erzählt. Ich glaube, dass man das Maß an körperlicher Ektase auf den Shows auch nicht so oft bekommt. Ich fühle da eine gewisse Verantwortung, das den Menschen auch weiterhin zu geben.


Als ihr zum ersten Mal auf dem Radar erschienen seid, gab es ja eine ganze Flut an Bands aus Österreich. Es gab einen regelrechten Hype, fast schon eine Welle neuer österreichischer Musik. Das hat sich langsam gelegt und euch gibt es immer noch …

Marco: Man muss sagen, die meisten waren auch scheiße. Was soll man machen? Man kann es ja nicht herbeischreiben, dass jemand gut ist. Aber die, die gut sind, haben sich glaube ich durchgesetzt.

Macht euch diese Etablierung mittlerweile freier?

Marco: Das ist schwierig. Ich glaube, das spielt einfach keine große Rolle mehr. Aber es hatte auch etwas Magisches, muss ich sagen. So nach Deutschland zu kommen und da kennt jeder, selbst die kleinsten Keller-Gürtelbogen-Bands aus Wien. Das war schon aufregend. So ein Hype, wie er passiert ist, hat uns total überfordert und ich habe ihn auch abgelehnt. Auch als Mensch. Jetzt wo er weg ist, vermiss ich ihn natürlich. Wir verdanken dieser Welle auch ohne Zweifel den Erfolg, den wir hier haben.

In knapp vier Jahren vom Free & Easy-Festival im Backstage zur Münchner Olympiahalle. Da könnt ihr euch durchaus auf die Schulter klopfen. Tut ihr das?

Marco: Man ist ja sowieso mit dem Leben beschäftigt. Und so viel Einfluss auf das Leben nimmt es nicht mehr. Das war mal, wie wir jünger und unerfahren waren. Irgendwo sind die Dimensionen dann halt absurd. Ob ich jetzt vor 5.000 oder 10.000 oder 20.000 spiele, das macht eigentlich keinen Unterschied mehr. Es sind sowieso Zahlen, die man nicht mehr verarbeiten kann.

Geht ihr da als Musikfans selbst anders ran? Ich kann mir vorstellen, dass euch als Privatperson ein Club-Konzert immer noch lieber ist als ein Konzert in einer Multifunktionshalle, oder?

Marco: Ich bin durchaus offen für jedes musikalische Erlebnis. Ich finde kleine Konzerte aufregend, aber genauso auch große. Mit vielen Menschen dastehen, entwickelt eine ganz eigene Macht und Schönheit. Ich habe mir sehr gerne Elton John in der Stadthalle angeschaut. Da hatte ich gar nichts dagegen.

Bleiben wir beim Visuellen. In euren Musikvideos aber auch live gibt es diese wiederkehrende Figur der Bauta mit ihrer prägnanten Maske. Das war ja eine Maske u.a. für geheime Stimmabgaben, gleichzeitig konnte man bei Festen durch die bestimmte Form auch ganz wunderbar ungeniert trinken und essen. Was hat es damit auf sich?

Marco: Am Anfang war es so, dass wir einige Videokonzepte hatten. „Schick mir die Post“ war glaube ich eines der ersten. Aber es hat irgendwas gefehlt. Es war plump und naiv. Es hat sich so angefühlt, als würde etwas in dieser Feststimmung fehlen, etwas Düsteres. Auch etwas, was in der Musik liegt. Es gibt ja auch etwas Verletztes oder Finsteres in der Musik und zum Teil in den Texten. Das haben wir in dieser Maske und in dieser Figur gesehen.

Und dann hat sich das verselbstständigt?

Marco: Die Figur ist zu einem Begleiter geworden. Sie hat es ja auch auf ein Albumcover geschafft. Es gab immer wieder Ideen diese Figur zu beerdigen. Wir haben sie ja auch einmal verbrannt. Aber diese Figur geht nicht weg. Diese finstere Gestalt fesselt uns. Dabei hat es nicht den beschriebenen historischen Hintergrund, nein. Aber wunderschön ist die Geschichte dazu. Diese Figur hat eine einfache und eindrucksvolle Symbolkraft. Deswegen hat das sehr gut gepasst. Wir nennen ihn immer den Tod oder den Fährmann. Ich würde gerne nochmal mit ihm arbeiten.

Stichwort Schmerz und Finsternis. Bei den Konzerten gibst du Marco, dich gerne soulig. Man fühlt sich fast an Beyoncé erinnert, wenn du die Tonleiter rauf und runterschreitest.

Marco: Wow, das habe ich noch nie gehört. Wahnsinn, danke!

Welche Rolle spielt dieser Gospel bzw. dieser Blues?

Marco: Ich komme schon aus dem Blues. Es ist einfach das Narrativ des Blues, mit dem ich was als Mensch anfangen kann. Das Schema, die ewig gleichen Akkordschemen, die Grenzen, die das setzt und die Meisterschaft, die man trotzdem darin entwickelt kann – das hat mich schon immer total gereizt. Ich würde schon sagen, dass ich aus dem Blues komme. Und wir alle teilen diese Affinität. Der Blues ist einfach der Rock ’n‘ Roll. Es leidet, es heult, es bäumt sich auf und es revoltiert. Es will mehr als dieses kleine Scheißleben sein.

Hand aufs Herz. Habt ihr Domian schon einmal angerufen?

Manu: Wir haben es versucht, aber nein, noch nie. Damals war die Nummer besetzt, es gab ihn ja eine Zeit lang nicht. Doch jetzt ist er wieder da.

Marco: Jahrzehnte lang hat sie existiert. Angerufen haben wir ihn noch nie, aber das sehr gerne gesehen. Das hört nie auf. Da kommt der Feuerwehrmann, der Frauenkleider trägt… es geht immer weiter und ist großartig.

Manu: Immerhin hat er sich unsere Nummer für das Comeback ausgeliehen.

Marco: Ich finde ihn sehr wichtig. Domian hat in Deutschland eine einmalige gesellschaftliche Rolle. Er ist wie ein Schamane, der uns zeigt, dass wir viel mehr sind als nur Konsumenten, Wähler oder sonst was. Er ist jemand, der in dieser Zeit nicht spaltet, sondern uns darauf aufmerksam macht, dass wir etwas gemeinsam haben. Diese Urqualitäten wie Angst und Hoffnung oder Schmerz. Das finde ich total wichtig für eine Gesellschaft. Und wenn er das nicht macht, macht das keiner. Es ist alles so intellektualisiert mittlerweile. Wenn ich deutsches Fernsehen schaue, erschrecke ich. Auf jedem Sender reden Experten und alles wird so feinstofflich analysiert, als könnte man irgendeine Wahrheit benennen. Das finde ich verwirrend. Domian ist das Ur-Unterbewusstsein. Sehr schade, wenn das wegfallen würde.

Ihr sagtet bereits, man weiß nicht, wo der Weg hingeht. Dennoch haben wir uns schon einmal Gedanken über das fünfte Wanda-Album gemacht und mögliche Titel vorbereitet. Ihr dürft jetzt einfach aus dem Bauch heraus entscheiden, ja?

Marco: Ja super, her damit!

„Tutti“

Marco: Würde ich nicht machen.

„Grazie“ – Vermutlich eher fürs Best-Of?

Marco: Gab es bereits als Überlegung, aber nein.

Manu: Das ist zu aufg‘legt…

Marco: Vor allem könnten sich die Deutschen fragen: „Was ist dieses Grazie?“

„Scusi“

Marco: Ha, das ist lustig, super!

So könnte zumindest das letzte heißen. Wie steht es mit „Adesso“?

Marco: Auch super.

„Va Bene“

Marco: Woah, mein Gott ist das gut! Bist du wahnsinnig?! Das ist halt wirklich gut, das ist absolut großartig!

Manu: Voll, sehr gut!

„Salute“

Marco: Das war halt tatsächlich der erste Titel für „Ciao!“.

„Volare“

Marco: Joa. Ne, ich muss sagen „Va Bene“… das wär‘s!. Das hat was nahezu Philosophisches.

Manu: Wenn wir es jetzt benennen würden. Dann „Va Bene“, ja.

Marco: Warum haben wir das Spiel nicht vor einem Jahr gespielt? Scheiß „Ciao!“…

Jungs, wir sehen uns spätestens 2020 in der Olympiahalle. Zum Abschluss jedoch noch eine Beschwerde. Warum singt Lukas keine Falco-Songs mehr auf der Bühne?

Manu: Vielen Dank!

Marco: Das ist eine gute Frage. Das kann man sich überlegen. Nein, das MUSS man sich sogar überlegen! Bist du deppert, war das gut … Unser Schlagzeuger ist der beste Rapper Deutschlands.

Und wie es sich für ein echtes Fangirl gehört, durften Manu und Marco sich noch handschriftlich auf unserer Redakteurin Nurin verewi gen. Für alle Zeit unter die Haut gebracht wurden die Titel der Alben 1-4 noch am selben Abend. Und a bisserl Platz für Va Bene wurde allemal gelassen.


Verlosung:
Pünktlich zur großen Wanda-Tour 2020 verlosen wir 3 x 2 Freikarten für das Konzert am 29. Februar in der Olympiahalle. > Hier gehts zum Gewinnspiel


curt präsentiert: Wanda > Homepage // Support: tba. // 29. Februar 2020 // Olympiahalle München // Beginn 20 Uhr // VVK ab 40 EUR zzgl. Gebühren

Interview & Fotos: Nurin Khalil & Tim Brügmann > Homepage