Erinnert sich noch jemand daran, als Zola Jesus für Noise und Industrial stand, dröhnend-donnernde Hintergrundgeräusche, die mit viel Gothicanstrich zu einem undurchdringlichen, ungemein faszinierenden Low-Fi-Inferno wurden? Nein? Nicht so schlimm, das tut Nika Roza Danilova – die Frau hinter Zola Jesus – ebenso wenig.
Sie wolle sich nicht mehr hinter dem Krach verstecken, verriet sie uns letztes Jahr im Interview. Und wäre da nicht immer noch ihre opernhafte, unverwechselbare Stimme, keiner käme wohl auf die Idee, ihre Anfangswerke mit „Taiga“, ihrem just erschienenen neuen Longplayer, überhaupt miteinander vergleichen zu wollen.
Taiga, jene Waldvegetation hoch im Norden, Alaska, Kanada, Skandinavien, Russland, das ist bei der Halb-Amerikanerin/Halb-Russin natürlich kein zufällig gewählter Name. Und beim Titellied und Opener werden auch durchaus Assoziationen an den fernen, menschenleeren Landstrich geweckt. Weit, unterkühlt, hier gibt es nur einsame Still, die Erinnerung an ein Echo, das sich im Nichts verliert. Dann breitet sich jedoch langsam die Stimme Nikas aus, voller Trauer, bis sie später von einem Drumgewitter flankiert wird.
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Während der recht atmosphärische Auftakt die Hoffnung aufkommen lässt, dass Zola Jesus vielleicht doch noch nicht ganz ihre Indie-Wurzeln vergessen hat, wird diese schon beim nächsten Lied, der Single „Dangerous Days“, wieder begraben. Seit ihrem Album „Stridulum II“ wendete sich die Sängerin zunehmend dem Pop zu, und jetzt mit 25 Jahren ist sie dann auch fast komplett dort angekommen. Hier wurde jede Unebenheit begradigt, jede Ecke abgerundet. Manchmal macht das Laune, oft – zu oft – lässt einen das Ergebnis dann aber doch kalt. Selbst wenn es schwungvoller wird, wie etwa bei „Hunger“, fehlt es entschieden an Kraft, alles ist hübsch, nett, steril.
Nun kann man schlecht einer jungen Frau wünschen, ihr Leben lang in selbstquälerischer Dunkelheit zu verbringen. Und dass ihr zunehmender Weg ins Licht auch echte Highlights zu Tage bringt, hat sie auf den letzten beiden Studioalben ja zur Genüge bewiesen. Aber hier gibt es kein „Lightsick“, kein „Lick the Palm of the Burning Handsake“ oder „In Your Nature“, nicht einmal ein weiteres „Night“. Stattdessen erwartet einen bei „Taiga“ eine recht beliebige Melange aus Synthie, Streichern und Drums. Der Einfluss des letzten Jahres veröffentlichten „Versions–“, er lässt sich überall raushören.
Das ist oft schon schön, sicher, aber auch erschreckend belanglos. Abgesehen vom Auftakt und dem Abschluss „It’s Not Over“ fällt es selbst nach mehreren Durchläufen schwer, sich tatsächlich noch an eins der anderen elf Tracks zu erinnern. Und das ist dann doch etwas wenig, vor allem nachdem man gerade drei Jahre auf neues Material hat warten müssen. Mag sein, dass die neuen Lieder live an Durchschlagskraft gewinnen und so ein bisschen mehr von ihnen bleibt. Das war beim letzten richtigen Album „Conatus“ ja auch der Fall gewesen. Zumindest in München wird daraus aber sobald nichts werden, denn ein Besuch der Eisprinzessin ist dieses Mal nicht vorgesehen.
Zola Jesus „Taiga“ // Mute Artists Ltd (Goodtogo) // VÖ: 3. Oktober 2014