Im Gespräch: Wanda

Guten Freunden gibt man ein Bussi. Während letzte Woche der Governator himself noch den Dirigenten auf dem Oktoberfest gab, bläst Österreichs musikalischer Garde-Export um Marco Wanda wieder zum großen Halali zwischen Amore, Schnaps und wohlig-warmer Melancholie.

„Niente“ heißt das dritte Werk von Wanda und setzt die Tradition, die 2014 mit „Amore“ in unsere Herzen gebrannt wurde, konsequent fort. Und wir freuen uns über den willkommenen Rettungsring der einzig wahren Schmäh-Poeten, ehe wir im Sumpf an Austro-Pop-Nachahmern zu ertrinken drohen.

Bevor es im Frühjahr nächsten Jahres auf ausgiebige Tour geht, klingelten wir mal eben durch und hatten Manuel Christoph Poppe, den Mann an den sechs Saiten, am Apparat. Ein Gespräch über alles und „Niente“, von John Lennon bis Teen Spirit.

Manuel, herzlichen Glückwunsch und Happy Release Day! Seit heute dreht sich „Niente“, euer drittes Album, auf den Plattentellern. Wie steht es um die Release-Party?
Herzlichen Dank! Das ganze Leben ist doch eine Release-Party. (lacht) Nein, wir werden sicher heute Abend noch ein „Käffchen“ trinken. Wir feiern heute den ganzen Tag!

Man sagt ja immer, mit dem zweiten Album steht oder fällt alles. Jetzt habt ihr das dritte draußen und den vermeintlichen Hype hinter euch gelassen. Wann entscheidet ihr, dass es Zeit für eine neue Platte ist?
Das ist interessant. Ich hör in der Tat immer wieder, dass die zweite die kritische ist, da man nach dem Debüt nachlegen muss. Dann ist das dritte eigentlich richtungsweisend. Ich glaube, dass unser viertes unser schwerstes werden wird. Wer weiß, was wirklich wahr ist. Grundsätzlich nehmen wir Songs auf und kein Album. Wir gehen nicht ins Studio, um ein Album aufzunehmen, sondern nehmen ein Lied nach dem anderen auf. Und das stetig.

Entschuldige, hier regnet sich gerade ein heftiges Gewitter runter. Jetzt hör ich dich wieder.
Ach, ich liebe Gewitter! Donnert und blitzt es denn richtig schön!? Genieß es! Also, wenn du Gewitter magst natürlich.

Vermutlich ist es auch das letzte Sommergewitter. Und das an eurem großen Tag!
Das sind die besten! Aber wo waren wir? Genau, wir nehmen kein Album auf. Und das eben schon seit über fünf Jahren eigentlich kontinuierlich und durchgehend. Ich würde die Entscheidung eines Albums eher so formulieren: Du kennst das doch sicher, wenn du in Schuhkartons alte Fotos von vor ein paar Jahren hast. Den machst du auf, suchst ein paar Fotos heraus und denkst dir: „Hey, ich mach jetzt ein Album draus!“ Es ist eher ein Fundus, wenn wir ein Album zusammenstellen, als dass wir Lieder schreiben, um ein Album zu machen. So würde ich das sehen. Das Album ist eine Endstation, aber nicht der Zweck zum Liederschreiben.

Nachdem Wanda von 2014 an knapp zwei Jahre durchgearbeitet haben – man wunderte sich, woher ihr das zweite Album „Bussi“ so plötzlich trotz Touralltag herzaubern konntet –, hattet ihr jetzt wenigstens ein bisschen mehr Zeit zum Schreiben?
Die Beatles haben ja in den ersten Jahren jeweils zwei Alben pro Jahr herausgebracht. So könnte man auch sagen, dass wir ein ganz normales Bandgeschäft am Laufen haben. Wir haben das Glück, unsere Mieten davon zahlen zu können, und wir haben nichts anderes zu tun. Was soll man machen? (lacht) Wir spielen 100 bis 200 Konzerte im Jahr und die restlichen 150 Tage nehmen wir Lieder auf. Das ist gar nicht so stressig und so überrollend, wie es vielleicht wahrgenommen wird. Am Ende ist es doch das Einzige, was wir können und was wir immer machen wollen.

Viele Vorabkritiken attestieren dem Album eine sehr melancholische Note. Insgesamt ward ihr aber schon immer hin- und hergerissen zwischen Tod und Heiterkeit. Stell dir vor, du würdest bei Sigmund Freud auf der Couch liegen, um ihm nacheinander die Texte der drei Wanda-Platten zu erzählen. Was für ein Persönlichkeitsbild würde er zeichnen?
Da müsstest du den Sigmund fragen. (lacht) Aber John Lennon ist eigentlich eines unserer Vorbilder oder Helden. Der hat zunächst mal den Blues auf eine Struktur gehoben, aus dieser klassischen Blues-Struktur heraus, und zum ersten Mal das Unbewusste in den Vordergrund gestellt. Oder überhaupt erst über das Unterbewusstsein gesungen. So gesehen ist es vielmehr so, dass John Lennon unser Song bzw. Prinzipienstifter ist.

Wanda also als die Wiener Beatles …
Also, wenn du das schreibst ja, das wäre ein Kompliment! Natürlich vermessen vielleicht, aber, nein, nein! Die Wiener Beatles, das lass ich mir g’fallen!

Das kommt ja von mir. Dann können wir das gelten lassen.
Der Siegmund Freud würde übrigens sagen: „Macht’s euch nicht zu viele Gedanken und sucht euch ein Mädchen! Das wird schon alles.“

Ein Fazit, das man nach euren Alben durchaus auch ziehen könnte, oder?
Es sollte sich überhaupt jeder Mensch einen zweiten suchen, mit dem man durchs Leben gehen kann. Mindestens! Sei es ein Mädchen oder ein Bursch, was auch immer. Wir sind nicht zum Alleinsein gemacht.

„Der Feind ist die Langeweile“, habt ihr einmal gesagt. Was ist für dich das Spannendste an Wanda? Vor allem nach diesen ersten überaus erfolgreichen Jahren.
Das Spannendste ist immer das Konzertspielen. Wanda ist in erster Linie eine Live-Band. Auf der Bühne zu stehen mit meinen vier Freunden und mit Tausenden Leuten, die uns zurufen, mitsingen, und in diese freudigen Gesichter zu schauen. Das ist der einzige Motor, der das Ganze am Laufen hält. Das ist das Schönste, was es gibt. Es gibt nichts Schöneres in meinem oder unserem Leben. Live spielen, auf der Bühne Konzerte geben und die Songs spielen.

Das lässt sich von der anderen Seite sicher genau so zurückgeben. Hat sich mit „Niente“ langsam eine Routine eingestellt? Geht es euch nun leichter von der Hand, wenn du sagst, ihr nehmt kontinuierlich auf?
Na, da hat sich wenig verändert. Wir nehmen eben kein Album auf, sondern Lieder. Das Album wird zusammengestellt, aber das geht immer recht flott. Es ist sehr intuitiv. Wir grübeln nicht oder brüten an Sounds oder Songstrukturen. Wenn Marco zu uns kommt und das Lied vorspielt, ist es meistens schon fertig. Die Akkordstruktur, Strophe, Refrain, die Melodie. Die stehen fast zu 100 % schon, bevor er sie uns zeigt. Aber auf jedes Lied, was wir im Endeffekt aufnehmen, kommen hundert verworfene Songideen, die er uns gar nicht vorspielt. Er kommt schon mit seiner Auswahl zu uns. Das geht immer sehr flott. Was beim dritten Take nicht drin ist, das wird verworfen.

Seht ihr euch als Band oder eher als Kollektiv aus, wie du schon sagtest, Freunden, die zusammenkommen und Musik machen?
In erster Linie sind wir als Freunde zusammengekommen. Und haben aus dem heraus beschlossen, eine Band zu machen, anstatt auf unsere musikalischen Fertigkeiten zu achten. Wir sind eher eine Gruppe aus  Freunden, die gelernt haben, Instrumente zu spielen – gescheit –, als dass wir uns mutwillig aus dem Zweck getroffen haben, eine Band zu machen und erst daraus Freunde wurden. Die Freundschaft steht vor dem musikalischen Kollektiv. Auf jeden Fall!

Vor drei Jahren habt ihr das schöne Wort „Amore“ geprägt und nach Deutschland gebracht. Wie hat sich der Begriff für Wanda in den letzten Jahren verändert?
Nicht sonderlich. Bei unserem Verständnis von „Amore“ geht es nicht ausschließlich um die Bella Ragazza auf der Matrazza, sondern um Nächstenliebe, um Angstbefreiung und Gewaltlosigkeit. Dass man nicht boshaft zueinander ist. Darum geht es. Boshaftigkeit ist kein Lebenszweck, würde ich sagen. Ähm, es geht nicht um Ficken …

Kannst du das nochmal sagen?
Es geht nicht ausschließlich um Ficken. Es geht um Nächstenliebe! (lacht)

Daran möchte ich eine kleine persönliche Frage anschließen, wenn wir schon bei „Bologna“ sind. Meiner Meinung nach haust du auf dem Song eines der lässigsten Gitarrensoli raus, die ich kenne. Jedenfalls packe ich eher selten die Luftgitarre aus … Wie kam’s zu dem Solo, wenn ich dich schon am Apparat habe?
Von „Bologna“? Das nehme ich glatt als Kompliment, dass es für dich ein Gitarrensolo ist. Für mich ist es eher ein Liedpart. Es ist einfach der „Smells Like Teen Spirit“Schmäh, einfach die Gesangsrythmik aus der Strophe auf der Gitarre nachspielen und einen Verzerrer einschalten.

Ich dachte es mir fast, aber gerade live kommt es einfach so leidenschaftlich aus der Hüfte geschossen und rotzig daher.
Es ist in der Tat wie „Smells Like Teen Spirit“. (imitiert das Nirvana-Solo) Das Gleiche hab ich bei „Bologna“ gemacht. Ich musste da gar nicht viel Gitarrenwichsen, ich hab einfach nur die Melodie nachgespielt. (lacht)

Sehr souverän und eins meiner Highlights auf euren Konzerten! Ungeachtet dessen, dass es quasi DER Wanda-Song ist. Ist er eher Fluch oder Segen? Ihr werdet ja gerne mal auf „Amore“ und eine Formel reduziert.
Boah, vielen Dank! Zu deiner Frage: Reduzieren kann uns niemand. Man kann es nur versuchen … Es ist einfach der Titel des ersten Albums und ein Schlachtruf. Den haben wir uns zu eigen gemacht. Der lässt sich super brüllen. Drei Vokale, die du echt super in die Menge brüllen kannst. Voll! Eine Lebenseinstellung, ein Gesellschaftsauftrag und Kommerzschmäh auf einmal. Wie ein Überraschungs-Ei!

Bevor ich dich wieder ins Feiern entlasse. Wie kann man sich den Alltag der Herren Wanda bis zur Tour im Frühjahr vorstellen?
Wir werden jetzt im November schauen, dass wir ein wenig draften. Und dann Dezember, Jänner, Feber so, im Winter eben, werden wir einfach überlegen, welche Songs vom neuen Album wir in unser Set einfließen lassen. Dann werden wir die zwei-, dreimal im Proberaum durchspielen. Aber wir proben eigentlich nicht, sondern immer auf der Bühne. Im Proberaum sind wir die schlechteste Band, die du dir vorstellen kannst! (lacht) Ich brauch das Publikum, es müssen schon alle dabei sein.

Sonst schaut ihr euch im Kreis stehend peinlich berührt an?
Auch wenn wir alle gegen die Wand spielen würden! (lacht) Bei der Energie unserer Lieder, vor allem wenn wir sie live zusammen spielen, gehört das Publikum unbedingt dazu. Das ist ein wesentlicher Bestandteil von Wanda. Das hört sich jetzt schmierig an, aber das ist wirklich so. Wir werden dreimal proben. An drei, vier Tagen für jeweils vier Stunden. Da werden wir in den Keller steigen und die neuen Songs kurz durchgehen und dann geht’s ab auf die Bühne. Und danke nochmal für das Kompliment mit dem Solo! Das ist das Liebste, was man mir heute gesagt hat. Heut bin ich durch, ich schaff den Tag. Danke dir!

Nichts zu danken. Ich freue mich auf die Show in München und dass ich dir den Tag versüßen konnte. Das Solo dann aber bitte extra large! Ich hab selber keine Band, also musst du das für uns beide tun!
Schnall dich an, ja! (lacht) Bis dann und Bye Bye!

Bis uns am 20. März 2018 neben „Bologna“, „Bussi Baby“ und „1, 2, 3, 4“  auch die neuen Songs von Wanda zum Tanzen, Weinen, Mitsingen und dem Bekunden von wahrer Liebe animieren, ist es noch ein wenig hin. Wer bis dann vollkommen textsicher sein will, freut sich indes über das neue Album „Niente“, das seit dem 6. Oktober auf alte wie neue Amore wartet!


Wanda > Homepage // 20. März 2018 // Einlass: 18.30 Uhr // Beginn: 20 Uhr // Zenith // VVK 33,00 EUR zzgl Gebühren

Interview: Tim Brügmann > Homepage