Romano Im Gespräch
Foto: Elias C. J. Koehler

Romano

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Von der Straße ins Schlafzimmer

Man kennt ihn, lange blonde Zöpfe, Bomberjacke und den Schalk im Nacken. 2015 machte ein Berliner Rapper namens Romano mit seinem Song Metalkutte von sich Reden, alsbald folgte das Debüt-Album Jenseits von Köpenick auf Roman Geike, so sein bürgerlicher Name, sein Leben in Ost-Berlin in ironisch tanzbare Songs verpackte. Und denen nur allzu gern entsprechend kreative Musikvideos zur Seite stellte. Knappe zwei Jahre später legt der schöne General den Nachfolger Copyshop vor und vertieft den Romano-Kosmos noch einmal, manifestiert sich als schillernder Sympath, der in Gesprächen vor allem sein Herz auf der Zunge trägt und dessen Konzerte stimmungsvolle Absagen an die Spießigkeit sind.

2023 aber treffen wir auf einen neuen Romano. Gefühlvoll, besonnener aber nicht weniger humorvoll. Mit der ersten Single Schrei der Wildnis aus seinem aktuellen Album Vulkano Romano crasht der blonde Tausendsassa durch die Natur, hüpft durch Wiesn und tanzt im Sonnenuntergang. Erstmal nichts Neues, denn der Song geht sofort ins Ohr. Doch wer den weiteren Stücken auf Romanos neuem Album Gehör schenkt, stellt fest, dass wir hier nicht mehr auf den Straßen Köpenicks unterwegs sind, den Copyshop entern, unseren Anwalt rufen oder ein Loblied auf die Mutti singen. Nein, Romano öffnet sein Herz, lässt die Lava aus den Adern fließen und lädt zu Verletzlichkeit und Zweisamkeit im Schatten von Pandemie und Krisen ein.

Vor seinem Konzert am 21. April im Münchner STROM trafen wir Romano zum Gespräch über das neue Album Vulkano Romano, seine Kreativität, und warum Yoda am Ende doch cooler als Darth Vader ist.

Romano, mit Vulkano Romano veröffentlichst du dein erstes Album seit fünf Jahren. Wie feierst du den Release?

Ich sitze jetzt nicht auf der Luftmatratze oder gönne mir ein Gläschen Schampus, ich habe vielmehr gemerkt, wie man schlauchartig in die Dinge reingezogen wird. Es gibt eine Menge zu tun, wie beispielsweise mit dir, worüber ich mich freue. Und ich hab ja jetzt auch einige Musikvideos als Produzent mitgestaltet und gedreht. Das war eine große Herausforderung. Vor allen Dingen ohne Plattenfirma. Nach der Trennung von Universal, in aller Freundschaft, musste ich mich selbst erstmal orientieren. Wie macht man das alles ohne Major? Wie findet man neue Leute, Wegbegleiter und Menschen, die Lust haben, mich zu unterstützen? Das hat gedauert und jetzt ist es da.

Und so kam es auch zu deiner eigenen Plattenfirma Nonstop Pop?

Genau! Das war ein interessanter Schritt in die eigene Freiheit. Ich hatte das große Glück, dass mir die großen Firmen damals nicht in meine Arbeit reingeredet haben. Es gab immer wieder Hinweise und Tipps, vieles davon sehr förderlich, aber jetzt alles allein zu machen ist eine andere Hausnummer. Klar, mehr Stress, aber es fühlt sich sehr gesund an. Es bleibt spannend und ist es auch jeden Tag aufs Neue.

Stichwort Musikvideos. Du hast bereits eine ganze Reihe an Videos zum Album veröffentlicht. Besonders die erste Single-Auskopplung Schrei der Wildnis sticht hier hervor. Aber auch die Videos zu Magical, Samurai oder jüngst zu Versailles tragen alle eine ganz eigene visuelle Handschrift. Wie hast du es geschafft immer eine neue Ästhetik zu erkunden?

Ich hatte während Corona noch die Single Ticks veröffentlicht und die hat meine Freundin damals noch komplett mit dem iPhone aufgenommen. Aber die Videos jetzt sind immer mit anderen Leuten entstanden. Schrei der Wildnis ist beispielsweise mit Dominik Galizia entstanden. Ein toller Typ, den ich auf einer Party getroffen habe. Lockeres Gespräch, Sekt dazu und er ist auf Schrei der Wildnis aufmerksam geworden. Siriusmo hat sich für Ein Mann für gewisse Stunden begeistern können und bei Magical hatte ich Siegfried und Joy im Schlepptau. Der Input kommt zu großen Teilen von mir, aber ich bekomme viel kreative Unterstützung. Bei Versailles waren es gleich zwei Regisseure, die zusammengearbeitet haben. Ich habe das Ganze dann versucht zu koordinieren und mit den Regisseuren auszuarbeiten. Es gibt Momente im Leben, da passen die Dinge einfach zusammen. Und das war hier der Fall. Das hat lange gedauert, aber vielleicht braucht es die Zeit auch damit die Dinge reifen.

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Du bist ja auch nicht erst seit gestern unterwegs und hast auch ein entsprechendes Netzwerk aufgebaut …

Wichtig war mir immer den Spaß nicht zu verlieren und ein gewisses Augenzwinkern zu behalten. Nach den ersten beiden Alben war ich ein wenig leer und auf der Suche nach neuen Ideen. Ich hatte den Großteil meines Lebens schon abgearbeitet. Nach der Metallkutte hätte auch noch der Nietengürtel kommen können, aber ich wiederhole mich nicht gerne. Das wäre auch schade. Ich wollte schon immer mal was „Barockes“ machen und mein Vater war damals in der DDR Sprengmeister und Pyrotechniker beim Fernsehfunk. Da gab es eine Requisitenabteilung und mit dem Video zu Versailles habe ich mir quasi einen jahrelangen Wunsch erfüllt. Aber danach muss es nicht das nächste Video aus dieser Zeit geben.

Und jetzt singst du auch noch!

Noch vor Corona ist Ein Mann für gewisse Stunden entstanden. Ein Song, bei dem ich feststellen musste, dass ich tatsächlich auf einmal singe statt zu rappen. Das ist zwar für mich ein normaler Vorgang wie Rappen, aber es war definitiv was Neues für Romano. Nach und nach entstanden dann mehr Nummern, auf denen ich singe. Das heißt jetzt aber nicht, dass ich mit Hiphop abgeschlossen habe. Ich steige auch heute noch ins Auto und habe Westküsten-Rap der 90er laufen. Das bleibt Teil meines Lebens. Aber gerade fokussiere ich mich auf eine neue Mischung. Ich schließe aber auch nicht aus, dass in einem halben Jahr wieder gerappt wird. Ich wollte einfach eine positive und lebensfrohe Botschaft in Zeiten der Krise rausbringen. Menschen kommen sich wieder näher und sehen nicht nur ihre Meinung im Vordergrund. Und jetzt kommt eben mein bunter Blumenstrauß raus.

Der Albumtitel lautet Vulkano Romano. Wie ist der Titel zu verstehen? Ist das Album ein Ausbruch?

Einen Namen zu finden ist eine Situation, die nicht immer einfach ist. Es werden Ideen verworfen und die Dinge drehen sich gerne mal im Kreis. Irgendwann ist dann aber der gleichnamige Song entstanden und ich dachte, dass es ein schönes Wortspiel ist. Gleichzeitig steht der Vulkan auf dem Cover tatsächlich für einen Ausbruch. Ich wollte einfach mein Herz öffnen und das ist jetzt mein emotionaler Ausbruch an die Welt. Nur dass die Lava eben der feinste Liebesduft ist. Der Titel ist einfach knackig und kommt gut.

Auf dem neuen Album wendest du jetzt den Blick von der Straße und deinem eigenen Leben hin ins Schlafzimmer und die Zwischenmenschlichkeit in all ihren Facetten. Was steckt dahinter?

Das Album fußt auf der Überlegung, wie ich noch mehr zu mir selbst finden kann und weniger zu wollen. Es geht hier gar nicht ums Coolsein, sondern um sich selbst zu finden. Warum bin ich hier auf dem Planeten? Was habe ich vor? Was möchte ich? Und was will ich hinterlassen in der kurzen Zeit, die man am Leben ist? Ich will den Leuten Freude bringen, da ich das Gefühl habe, dass wir alle traumatisiert sind. Das fängt bei der Geburt an, geht hin zur Schule und zieht sich weiter. Nicht nur weil es weder den Weihnachtsmann noch den Osterhasen gibt. Meine Lehrjahre waren auch eine komische Zeit. Beziehungen können das auch sein. Ich will aber nicht bei negativen Dingen bleiben, sondern mich den Dingen widmen, nach denen wir uns sehnen und loslassen, auch wenn das Leben manchmal schwierig ist. Ich kenne den Schmerz Mensch zu sein, aber es bringt nichts, sich auf das Negative zu fokussieren. Daher strebe ich nach einer weicheren Art des Umgangs. Und ich finde wir können uns alle durchaus mal trauen, weich zu werden.

Oder sich auch mal zurückzunehmen.

Genau! Jeder will immer den besten Deal machen oder der Erste sein. Ich glaube aber, dass die harten Menschen eben auch abends ins Kopfkissen weinen oder sich nach einer Massage sehnen. Oder sie lassen ihre Wut im Internet aus. Es ist gut, sich zu öffnen und mal verletzlich zu sein. Egal ob es der Zitronenmann ist, der Typ aus Schrei der Wildnis oder der Barock-Romano. Der spielt im Video zum Beispiel ein Solo mit einer Doppel-E-Gitarre. Das ist mein Verweis auf die 80er-Jahre und die Hair-Metal-Bands, die auch relativ feminin aussahen. So ist es ja auch immer ein Stück Zeitgeist, wie sich Männer und Frauen zu kleiden haben. Damit wollte ich auch ein wenig spielen und brechen.

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Relativ zeitgleich zu Schrei der Wildnis haben auch Deichkind mit In der Natur ein ähnlich ambitioniertes und verrücktes Video herausgebracht. Dabei sind sie auch eine Band, die sich immer erklären muss. Wo ziehen sie die Grenze? Wann ist es nur noch Exzess? Jetzt birgt Romano auch viel Ironie in sich und deine Musik soll in erster Linie Spaß machen. Wo ziehst du die Grenze? Musst sich Romano manchmal bremsen?

Es gibt aus der Vergangenheit gute Beispiele wie Till Eulenspiegel, die mit einem bestimmten Humor durch die Welt gegangen sind. Bei mir ist der Ansatz, sich nicht über andere lustig zu machen. Ich arbeite nicht mit dem Zeigefinger, aber das lebensfroh Tänzelnde, das naiv Kindliche halte ich für einen tollen Ansatz. Auch die Entstehung des Albums hat so viel Spaß gemacht, weil ich nichts wollte, sondern die Dinge aus dem Spaß heraus gemacht habe. Ich liebe es mit Humor umzugehen und gerade mit Humor lassen sich auch schwierige Dinge gut angehen. Das beherrschen Deichkind ja auch wunderbar. Wenn man genau zuhört, ist da eine zweite Ebene. Das ist keine stumpfe Partymusik. Und im besten Fall kann man zu einem Song, der zwei drei versteckte Messages hat, eben auch noch tanzen. Deswegen fand ich auch immer Die Ärzte spannend, die gesellschaftliche Themen auf eine relativ humorvolle Art ansprechen und schon immer angesprochen haben.

Gibt es denn so etwas wie eine Romano-Ästhetik? Klar kennen die Leute deine blonden Zöpfe und die College-Jacken, aber woher stammt deine Inspiration?

Das hat oft damit zu tun, was mich gerade interessiert. Ein gutes Beispiel ist die Single Samurai. Ich habe eine Hochachtung vor der Manga- und Animekultur. Das sind Leute, die sich mühevoll über Tage und Wochen ihre Kostüme zusammenbauen. Aber auch die Geschichte hinter den Samurai interessiert mich, diese nichtgreifbare japanische Welt mit großem Ehrenkodex, die wir hier maximal von den Rittern kennen. Mir gefällt es dieses Kämpferische mit dem SEGA-Nintendo-Gameplay in einer großen bunten Welt zu verpacken. Bei Schrei der Wildnis ist es, wenn auch überspitzt dargestellt, die Idee ganz nah an der Natur zu sein, obwohl ich mit dieser verrückten Karre eigentlich alles kaputt-crashe. Der Mensch als Eindringling, das fand ich spannend, aber eben auch den Ansatz, wie wir mit der Natur umgehen. Das Spiel ist es, was mich reizt. Auch der Mann für gewisse Stunden, kann auch einfach nur für dich da sein. Der gibt dir ne Rückenmassage ohne übergriffig zu sein. Der malert dir auch mal die Wand. Oder wie auf dem Track Fetisch, wo ich dazu einlade, mal die eigene Kühlschranktür aufzumachen. Was schlummert in dir? Öffne dich doch mal und rede darüber!

Du hast die letzten Jahre aber auch an dir selbst gearbeitet. Stichwort Meditation und Waldspaziergang. Inwiefern hat dir das beim Öffnen und Finden geholfen?

Wenn ich meditiere, ich habe 2016 damit angefangen, sitze ich einfach nur da. Eventuell noch leichte Bewegungen dabei. Einfach mal nichts zu machen, ist in erster Linie problematisch. Wir haben das ja nie gelernt. Irgendwas muss man immer machen. Sei es Freunde treffen oder die Steuer machen. Und selbst wenn du es versuchst, bist du nicht leer. Doch irgendwann entsteht da ein Abstand. Man wird zum Beobachter und hat die Möglichkeit in einer Situation vielleicht anders zu reagieren. Diese Varianz macht einen freier und diesen Punkt finde ich sehr spannend. Man wird ruhiger, vor allem ich als kleiner Wasserfall, beobachte mich gerne und komme zur Ruhe. Ich versuche da eine Balance herzustellen, um mich nicht zu verbrennen und nicht immer im Sturm zu leben. Und selbst wenn du mal in den Sturm gerätst, hilft es dir, den tosenden Ozean ruhig zu stellen. Der wird im besten Fall dann zu einem Bergsee. Das versuche ich in den Alltag einzuflechten. Aber es ist definitiv ein Weg des Dranbleibens, da man ganz schnell wieder willkürlich handelt. Ich will nicht gleich die ganze Welt verändern, aber liebevoll mit meinem Umfeld und mir selbst umgehen.

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Du bist dennoch ziemlich rastlos, gerade wenn man sich ansieht, in wie vielen Genres du schon unterwegs warst. Wie sehr brauchst du die Veränderung?

Das Leben ist viel zu bunt, um mich auf eine Farbe zu fokussieren. Die verschiedenen Musikstile sind für mich eine Spielwiese. Das sind Farben und Jahreszeiten. Ich kann und will mich da auch nicht entscheiden. Ich bin gerne der Weltenbummler zwischen den Genres und nehme mich auch gern der verschiedenen Klischees an und spiele mit ihnen. Nie bösartig, aber eben spielerisch will ich mich den Dingen widmen und gucken, was dabei rauskommt.

Inwiefern hat deine eigene Radio-Sendung Bei Anruf Romano ihren Einfluss auf deine Musik?

Für mich ist das Zugwandte enorm wichtig. Ich will nicht auf der Bühne stehen, kalt wirken und danach sofort ins schon angelassene Auto steigen. Deswegen finde ich auch kleine Club-Shows besonders reizvoll. Für mich geht es immer um die Nähe und Interaktion zu und mit den Menschen. Bei Blue Moon reden wir viel über Schmerz, toxische Beziehungen und andere Probleme, wie Drogen, Tod und Krankheit. Das sind Themen, die schon in die Tiefe gehen. Aber das ist das Leben in all seinen Facetten. Es muss nicht immer alles tiefgründig sein, aber das Tauchen ist reizvoll, um manchmal auch in den Abgrund zu starren. Ich habe mich auch viel mit Metal, dunkler Literatur und Horrorfilmen beschäftigt. Dieses Dunkle hatte schon immer eine Anziehungskraft auf mich. Aber durch das Beschäftigen damit, mag ich mittlerweile auch Yoda viel lieber als Darth Vader. Und daher kann ich auch dem Change-Over ins Licht viel abgewinnen, der mir auf meinem eigenen Weg auch viel hilft. Früher war jeder Gangster oder Drogenlord a la Tony Montana aus Scarface, aber zu erkennen, dass das destruktiv ist, war eine wichtige Erkenntnis und ein Entwicklungsprozess. Ich wollte auch auf diesem Album keine großartige Fassade wahren, sondern mein Herz freilegen.

Romano ist wahrlich ein Mann für gewisse Stunden. Doch welche Reaktion auf deine Musik wünscht du dir von den Leuten?

Ich würde mich freuen, wenn die Leute ein Lächeln ins Gesicht kriegen. Wenn Romano vorbeikommt, dann macht der eine Mordsparty, mit dem kannst du einen Sekt, ein Bier oder auch einen Caipi trinken. Der hat ne gute Energie! Irgendwelche Probleme gibt es ja immer, das Leben hat ständig was für einen vorbereitet. Ich kenne das ja, ich fahre zum Beispiel ein altes Auto, 95er Baujahr. Gerade, wenn ich denke, super wie alles läuft, geht mal wieder was kaputt. Wenn ich es schaffe, die Leute zum Lächeln zu bringen, dann ist das schon das Ultimative. Und wenn ich es noch schaffe, dass sich die Leute sogar angucken, sich umarmen, sich vielleicht auch einen Kuss geben, dann ist das umso besser. Oder auch einen Klaps auf den Po! (lacht)


Live: Romano > Homepage // 22. April 2023 // STROM // Beginn 20 Uhr // VVK 27,50 EUR zzgl. Gebühren