The Vacant Lots
The Vacant Lots

Im Gespräch: The Vacant Lots

/

Schlaflos in New York. The Vacant Lots aus dem Big Apple beeindrucken den Underground bereits seit fast einem Jahrzehnt mit dunklem New Wave, der vor allem an den Sound der einstigen Ikonen Suicie erinnert. Bis vor Kurzem waren die beiden Künstler Jared Artaud und Brian McFadyen jedoch noch relativ unbekannt. Erst gemeinsame Tourneen mit Bands wie The Brain Jonestown Massacre oder jüngst Black Rebel Motorcycle Club haben sie auch über den Tellerrand der sogenannten Psych-Scene im Dunstkreis des Qualitätslabels Fuzz Club Records zum Geheimtipp werden lassen.

Die Arrangements der Band fühlen sich staubig und doch zeitlos an. Dabei gehen Gitarre und Synthesizer eine Symbiose ein, die dem Psychedelic-Sound der 60er-Jahre ebenso Hommage zollt wie wie sie ihm neues Leben einhaucht. Ähnlich einer alten bis an ihr Ende genudelten VHS-Kassette, doch dem Klangkosmos von The Vacant Lots wohnt eine kinetische Energie inne, die sowohl sehr intuitiv als auch sehr instinktiv ist. Geprägt von sich stark wiederholenden Drones, transportieren ihre Lo-Fi-Hymnen, die mit bewusstseinserweiternden Texten verziert sind, gleichwohl eine große Schaufel Poesie. Der Coolness-Faktor der Vacant Lots ist dabei an jeder Ecke spür- und erlebbar und wird weitestgehend durch nostalgische Assoziationen erreicht.

Ihre bisher erschienen EPs sowie die beiden Alben Departure und Endless Nights brodeln nur so vor dunkler Intensität und sind in erhabenem Schwarz-Weiß tief atmosphärisch, elektronisch und dank der lyrischen Talente von Jared Artaud immens poetisch. The Vacant Lots erschaffen klangliche Visionen von Leidenschaft, Lebensdrang, Tod, Liebe und Unglück. Ihr dezenter Swag öffnet dabei das Auge für die Dinge, die uns umgeben, die wir aber nur selten wahrnehmen. Musik für nächtliche Fahrten durch die bedrohlichen Häuserschluchten amerikanischer Großstädte und das Zeitvergessen in düsteren Underground-Clubs.

Im Zuge ihrer aktuellen Europa-Tour haben wir uns mit Jared Artaud und Brian MacFayden über die neue EP, ihre Zeit in Berlin und das Erbe von Suicide-Mastermind Alan Vega unterhalten.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

 

Zuerst einmal vielen Dank für eure Zeit, aber lasst uns direkt einsteigen! Ich habe gelesen, dass ihr gerade eure zweite EP mit Anton Newcombe von The Brian Jonestown Massacre in Berlin fertigstellt. Könnt ihr mir ein wenig über den Prozess verraten? Wie ist es zur erneuten Zusammenarbeit mit Anton gekommen?
Brian: Wir sind bei der Aufnahme ähnlich vorgegangen wie bei unserer allerersten EP Berlin. Blitzschnell und in wenigen Tagen fertig.

Jared: Die neue EP heißt Exit und ist wie erwähnt schon im Kasten. Wenn alles nach Plan läuft, wird sie am 30. August veröffentlicht. Bells, die erste Single aus dem Album, wurde ja schon vor einigen Wochen released. Anton haben wir aber beim Austin Psych Festival getroffen und sind dann anschließend mit The Brian Jonestown Massacre in Großbritannien auf Tour gegangen. Seit 2014 also verbindet uns eine gute Freundschaft und wir arbeiten gerne mit ihm zusammen. Er ist ein großartiger Produzent und die Studio-Umgebung ist von Spontaneität und einer gewissen Geschwindigkeit geprägt. Ich mag die Ergebnisse einfach, die wir bekommen, wenn wir zusammen Musik machen. Anton treibt uns definitiv immer weiter, als es bei der Zusammenarbeit mit jemand anderem der Fall wäre.

Es ist nicht nur eure zweite Kollaboration mit Anton, sondern auch eure zweite Aufnahme in Berlin. Wie groß ist die Rolle, die diese Stadt in Bezug auf The Vacant Lots spielt? Eure Label-Kollegen Medicine Boy haben sich zum Beispiel dazu entschieden, gleich ganz dorthin zu ziehen. Ist es für euch ein Bowie/Iggy-Ding?
Jared: Richtig! Anton lebt schon seit einiger Zeit in Berlin und sein Studio befindet sich ebenfalls dort. Es herrscht dort ein starkes Gefühl von Isolation, Distanz und Klarheit. Etwas, was ich in Berlin spüre, aber nirgendwo anders so empfinde. All diese Gefühle finden sich auch in unserer Musik wieder. Die Bowie/Iggy-Connection schwirrte dabei natürlich durch meinen Kopf. The Idiot ist eines meiner Lieblingsalben.

Brian: In Berlin gibt es noch diese Schroffheit, die in vielen Städten schnell zu verblassen scheint. Aber auch die Sprache fasziniert mich. Dabei war elektronische Musik schon immer eine Institution in Berlin und dieser eigenständige Klang hatte definitiv einen großen Einfluss auf meinen Produktionsablauf.

Ihr beschreibt eure Musik mit dem Motto „minimal means maximum effect“. Folgt ihr immer noch diesem Mantra und wie haltet ihr innerhalb dieser Grenzen alles weiterhin frisch? Oft scheinen Bands an so einer Einschränkung zu scheitern.
Jared: Oh ja, das ist das Mantra, das ich mir ausgedacht habe. Ich lebe und arbeite danach. Wir agieren immer noch innerhalb der Grenzen dessen, was zwei Menschen mit Klang bewerkstelligen können. Die Arbeit innerhalb dieser Grenzen empfinde ich aber persönlich als sehr befreiend. Wenn du die Dinge auf ihre Quintessenz reduzierst und weiterhin aus deiner eigenen Perspektive heraus betrachtest, wirst du sie immer wieder auf eine neue Weise sehen. Parameter für sich selbst zu setzen. ist nicht einschränkend. Dadurch Freiheit zu erlangen, erscheint mir als viel einfacher.

Ihr arbeitet und tourt mit Acts wie The Brian Jonestown Massacre, Black Rebel Motorcycle Club und den Dandy Warhols. Bands, die alle lose miteinander verbunden sind. Wo befinden sich The Vacant Lots in diesem, sagen wir mal, Netzwerk von Neo-Psychedelia/Rock-n-Roll-Künstlern?
Jared: Ich sehe das, was wir tun, als Teil einer Erblinie, die sich auf Bands wie The Velvet Underground, The Stooges, Kraftwerk, Suicide, The Jesus and Mary Chain, Spaceman3 und andere zurückführen lässt. Ich glaube, dass The Brian Jonestown Massacre, Black Rebel Motorcycle Club und die Dandys eben auch ein Teil davon sind. Wir sind bestrebt, unseren eigenen Sound und Stil, aber auch etwas Neues zu kreieren. Ich für meinen Teile fühle mich mit einem gewissen Kontinuum aus Rock ’n‘ Roll verbunden. Vor allem will ich andere Bands genauso inspirieren, wie diese Gruppen uns inspiriert haben.

In Zeiten wie diesen suchen die Menschen nach Antworten, während die Realitäten heutzutage sehr hart erscheinen. Was bedeutet der Begriff Psychedelia oder Shoegaze für euch als Band? Sind diese Labels eine Art Mindset für euch?
Jared: Das, was du zuerst gesagt hast, bedeutet mir wesentlich mehr. Ich denke oft über den Zustand der Welt, das Befinden der Menschen, das Leben und den Tod nach. Ich interessiere mich nicht wirklich für Labels wie Psych oder Shoegaze. Gedichte zu schreiben und Gitarre zu spielen, das interessiert mich. Ich will Platten machen und auf Tour sein. Mein Leben habe ich daher entsprechend arrangiert und viel geopfert, um genau das zu erreichen. Ich denke, dass diese Labels eher einschränken und nie ganz die Tragweite erfassen. Es ist Teil des menschlichen Gemüts, zu fragen und das Leben und die Realität infrage zu stellen.

Hat das auch einen Einfluss auf deine Lyrics?
Jared: Ich verbringe zumindest viel Zeit mit den Lyrics und ich würde mir wünschen, dass die Leute sie lesen, anstatt unsere Musik in Shoegaze oder Psychedelic zu kategorisieren. Es erscheint mir relativ dé­mo­dé, Bands in diese Genres zu unterteilen. Mir ist aber durchaus bewusst, dass es eine neue Psych-Bewegung gibt. Ich bin jedoch nur an meiner eigenen Vision interessiert und nicht an dem, was andere Bands tun.

Ihr habt eng mit Mastermind Alan Vega von Suicide zusammengearbeitet. Lebt sein Vermächtnis innerhalb von The Vacant Lots fort? Was habt ihr aus der Zusammenarbeit mit ihm mitnehmen können?
Jared: Ich war tatsächlich einer der Letzten, die ihn lebend gesehen haben. Ich fühlte eine unmittelbare Seelenverbindung mit Alan, sofort als ich ihn traf. Er lebte eine Haltestelle von mir entfernt in New York und ich habe unheimlich viel von ihm lernen können. Er war ein Meister des Minimalismus und ein wahrer Künstler. Und  ich strebe sehr danach, meiner Kunst treu zu bleiben, so wie Alan es immer war. Alan war auch ungemein großzügig mit seiner Zeit. Die Erinnerungen, die ich an ihn habe, bleiben für immer bei mir. Ich nehme diesen Pakt sehr ernst. Und ich kümmere mich auch um seinem Nachlass was Musik- und Kunstprojekte betrifft.

Das ist sehr lobenswert und tragisch schön zugleich. Unsere aktuelle Print-Ausgabe beschäftigt sich mit dem Thema „Zeit“. Was hat euch die Zeit im Laufe der Jahre gelehrt?
Brian: Puh, gute Frage. Vor allem, dass die Zukunft schwer vorherzusagen ist, gerade in Bezug auf unseren Ansatz, was den Sound und das Songwriting angeht. Es ist interessant, sich an unsere Wurzeln als sehr primitive Rock ’n‘ Roll-Band zu erinnern und sie mit der elektronischen und vielfältigeren Musik zu vergleichen, die wir über die Jahre entwickelt haben. Es ist eine Entwicklung, die ich in den ersten Jahren nie vorhergesehen hätte.

Jared: Zeit? Ich sage, mach was draus!

Jungs, danke, dass ihr euch wiederum die Zeit genommen habt, und alles Gute für eure restliche Europa-Tour!
Jared: Oh, vielen Dank für deine gewissenhaften Fragen und auch deine Zeit!


The Vacant Lots – Exit EP // A Recordings // VÖ: 30. August 2019 > Homepage

Live:
7. Juni @ Urban Spree + Medicine Boy
13. Juni @ Posthof Linz + Black Rebel Motorcyle Club

Interview: Tim Brügmann> Homepage
Fotos: André Habermann > Homepage