„Wie finden Sie das, dass die Pastinaken uns immer mehr Arbeitsplätze wegnehmen?“ So fragte sich eine Projektgruppe der Färberei munter durch die Passanten der Münchner Innenstadt und erntete die kuriosesten Antworten. „Pastinaken raus!“ hieß die Kunstaktion, von der die Straßenumfrage nur ein Teil war und die sich gegen rechte Tendenzen und Intoleranz in der Mitte der Gesellschaft richtete.
Daneben konnte man eine 3-Zimmer-Wohnung besuchen – zunächst in der Färberei, dann im Gasteig –, in der alle drei Zimmer stilecht eingerichtet verschiedene Formen von Rechtsextremismus und Rassismus zeigten. Ein „Alt-Nazi-Zimmer“, ein Jugendzimmer mit rechtspopulistischer Musik und Literatur oder ein scheinbar durchschnittliches Wohnzimmer. Mit der Wohnungsbesichtigung begab man sich auf die Suche nach dem Nazi da draußen und dem in uns. Das erfolgreiche Projekt aus dem Jahr 2011 erlebte bereits 2013 ein Revival und soll 2015 noch mal wiederholt werden. Es ist nur ein Beispiel von vielen, die in der Färberei in Untergiesing bisher entstanden sind.
Antje Weindl förderte bereits seit 1985 die damals noch sehr junge Graffiti- und Hip-Hop-Szene in München, veranstaltete Großkonzerte und Ausstellungen in der Stadt. Als ihr Engagement immer beständiger wurde, konnte sie im Auftrag der Stadt nach Räumlichkeiten suchen, die ihr und der jungen Szene als Heimat dienen sollten. Fündig wurde sie 1999 in Untergiesing: Die Färberei in der Claude-Lorrain-Straße 25 stand schon länger leer und bot mit den großen Räumen und dem industriellen Charme das perfekte Quartier. Mit den Künstlern wurden die Räume renoviert und so entstanden verschiedene Ausstellungsräume, Ateliers und Werkstätten.

„Die Färberei versteht sich in erster Linie als Förderungs-Pool“, erklärt die Gründerin Antje Weindl. Hier werden junge Künstler gefördert, sie dürfen in den Räumen kostenlos ausstellen, sich dem bunten Publikum des Hauses zeigen und werden in der Pressearbeit, durch Flyerdruck oder Projektmittelakquise unterstützt. In der Färberei findet ein breites Spektrum Platz: vom ursprünglichen Schwerpunkt in Graffiti über Malerei und Fotografie bis hin zu Skulptur, Performance … Um allen Richtungen gerecht zu werden, wird eine sehr hohe Dichte an Ausstellungen gestemmt. Bis zu zwei Mal im Monat wechselt das Dargebotene.
Da Raum ja bekanntlich das Teuerste in München ist, ist es schon Luxus, dass die Färberei eine schöne große Siebdruckwerkstatt beheimatet. Die gibt es auch schon von Anfang an. Jeder, der sich dafür interessiert, kann sie nach einem Einführungskurs zum Selbstkostenpreis nutzen. Neben dem Siebdruck gibt es ein umfangreiches Kursangebot. Im Mappenkurs wird zum Beispiel die erste Hürde einer akademischen Laufbahn anvisiert. Hier stehen alte Hasen der Szene dem Nachwuchs beratend zur Seite. Diese Mischung ist es auch, die die Färberei besonders macht.
Sie stellt einen offenen Treffpunkt dar, an dem Jung und Alt, Erfahrene und Frischlinge aufeinandertreffen. Im lockeren Miteinander sind so schon viele Gemeinschaftsprojekte entstanden. Natürlich gibt es auch Hausregeln, doch wissen die Nachwuchskünstler ihre Möglichkeiten in der Färberei offensichtlich ohnehin sehr zu schätzen. Von Beginn an wird der Schlüssel bei allen Projekten sympathisch unkompliziert übergeben – und dabei ist noch nie etwas schiefgegangen.
Der Artikel ist in der curt Ausgabe #79 erschienen.