Als Kind chronisch untergekuschelt gewesen? Verzweifelt auf Partnersuche? Ein bisschen irritierend ist es ja schon, wenn jemand sein neues Album auf den Titel „Love Me“ tauft. Dabei sollte Tomas Barfod über mangelnde Zuwendung eigentlich nicht wirklich klagen können, denn ein, zwei oder auch zehntausend Fans hat er ja schon hinter sich gescharrt, erst als Schlagzeuger der Elektroband WhoMadeWho, danach auch alleine. Und der eine oder andere dürfte sich mit seinem just erschienenen zweiten Soloalbum noch dazugesellen.
Vielleicht neigt der Däne aber auch von Natur aus zur Einsamkeit. Das würde zumindest erklären, warum er bei gleich neun der insgesamt elf Lieder Unterstützung von außen in Form von Guest Vocals sucht. Das Phänomen, am liebsten jeden Track von jemand anderem singen zu lassen, kennen wir ja zu Genüge aus dem Soul/Hip-Hop-Bereich, wo man gar nicht mehr ohne das beliebte „feat.“ auskommt. Aber auch bei den Ambientveteranen Delerium entdeckte man irgendwann die verkaufsfördernde Wirkung von zusätzlichen Sängern.
Tomas Barfod fällt nun irgendwo in die Mitte davon. Der Rahmen ist durchgängig Elektro in seinen verschiedensten Spielformen, von sphärisch bis poppig mit leichten Soul-Anleihen, und wird dann durch die insgesamt sechs hinzugezogenen Sangeskollegen noch ein wenig aufgehübscht. Am häufigsten darf hier die Schwedin Nina Kinert, genretypisch zu Nina K verkürzt, hinters Mikro. Normalerweise eher im Folk/Country-Genre daheim, schielen ihre vier Beiträge eindeutig auf die Liebesbekundungen der Clubgänger. Zumindest „Pulsing“ und „Busy Baby“ stehen dann aber schon mit mehr als einem Bein im seichten Europop.
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Deutlich interessanter ist da schon der melancholisch angestimmte Opener „Bell House“, wo Computerspielereien auf gelegentliche Klaviereinlagen und den typischen Falsetto-Gesang von Labelmate Luke Temple treffen. Wie es richtig geht, zeigt später das atmosphärische „Blue Matter“, wenn WhoMadeWho-Mitstreiter Jeppe Kjellberg seinem langjährigen Musikpartner unter die Arme greift. Mit den leicht verfremdeten Vocals und den kühl blubbernden Synthietropfen erinnert Barfod hier an seine irisch-französischen Kollegen von Mineral, und das ist ja nie verkehrt.
Wie sehr er deren Hang zur Computermusik der 80er teilt, wird vor allem da deutlich, wenn mal gerade nicht gesungen wird. Und das trifft natürlich besonders auf die beiden Instrumentalstücke „Mandalay“ und „Destiny’s Child“. Nein, keine Sorge, Letzteres hat so gar nichts mit der gleichnamigen Frauenkombo zu tun. Vielmehr dürfen wir Barfod hier auf Ambientschwingen in eine Welt jenseits der unseren folgen, nur ein vereinzeltes Klingelgeräusch erinnert noch an unseren irdischen Ursprung.
Zusammen mit einer Handvoll anderer Songs ist dieses Highlight durchaus ein Grund, Tomas Barfod ein bisschen Liebe zu schenken. Eine uneingeschränkte ist es nicht, dafür haben gerade die Stücke mit Nina dann doch einen zu großen Hang, die eigenen Nerven zu strapazieren. Wer eine Schwäche für diese Kombination aus Elektropop und Frauenstimme hat, den dürfte das nicht stören. Und alle anderen dürfen sich auf ein atmosphärisches Album und die Skiptaste freuen.
TEXT: Oliver Armknecht