Dass Bakterien eine Gefahr für den Menschen darstellen und Krankheiten von Keuchhusten bis Tuberkulose auslösen können, ja, das ist bekannt. Dass es durchaus nützliche gibt, sich sogar 100 Billionen davon in unserem Körper tummeln und unter anderem unsere Verdauung unterstützen, auch das dürften die meisten bereits gehört haben. Aber wusstet ihr schon, dass es nicht nur schädliche und nützlich gibt, sondern auch freundliche? Das zumindest will uns Mr. Scruff auf seinem neuen Album erzählen, seinem ersten seit sechs Jahren.
Nun hatte der englische DJ bei seiner Musik immer einen kleinen Hang zu Albernheiten. Und auch bei seinem neuesten, Longplayer Nummer sechs, wird nie ganz klar, was hier ernst gemeint ist und was nicht. Bei Opener „Stereo Breath“ zum Beispiel fegen immer wieder fröhliche Elektroschwingungen über den langsamen Beat hinweg, wie Laserschüsse aus einem 70er-Jahre-Science-Fiction-Film. Dazu der relaxte Gesang von seinem Manchester Kollegen Denis Jones, der auch schon auf der ersten Singleauskopplung, dem groovigen „Render Me“, seine Stimme lieh.
Gleich viermal darf der Sänger ran, hinzu kommen Kollaborationen mit Vanessa Freeman auf dem soulgeprägten „Come Find Me“ und bei „He Don’t“, wo R&B-Künstler Robert Owens die Elektrospielereien mit ein bisschen Leben füllen darf. Auffällig ist es schon, dass Andy Carthy – so der Mann hinter den knuffigen Bühnennamen – bei der Hälfte seiner zwölf Lieder auf Gastsänger vertraut. Die Unsitte kennt man ja gerade aus dem Hip Hop, wo mit ewig langem Featured-Artists-Namesdropping sich gegenseitig Käufer zugeschoben werden sollen.
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Um mehr kommerziellen Erfolg ging es bei „Friendly Bacteria“ wohl nicht. Dafür sind die Namen dann doch zu klein und der Wunsch, gemeinsam etwas Spaß zu haben, doch zu offensichtlich. Und der besteht für Mr. Scruff auch darin, die verschiedensten Musikgenres wild zusammen und über kreuz zu werfen. Jazz, Funk, Soul, Disco, hier trifft alles auf jeden, Beck sagt Róisín Murphy hallo, um dann mit Comiccharakter Flat Eric in einer Kellerbar ein Croissant essen zu gehen.
Mangelnde Abwechslung ist also sicher nicht das Problem von „Friendly Bacteria“, wenn dann ist es der Verzicht auf eindeutig zuordenbare Songstrukturen. Sicher gibt es immer wieder Tupfer, die auffallen, etwa das Retrogebrumme bei „Deliverance“, das bedrohlich schimmernde Titellied – von wegen „friendly“ – oder beim Abschluss „Feel free“ mit seiner karibischen Jazztrompete. Aber so wie die Grenzen zwischen den Genres verschwimmen, tun sie das auch zwischen den einzelnen Liedern.
Ein Fall für gezieltes Trackhören ist das Album also eher nicht, besser funktioniert es in Endlosschleife in Clubs, auf Partys im fortgeschrittenen Zustand, einfach überall da, wo ein bisschen den Rhythmen und Klangcollagen hingegeben werden kann. Richtige Tanznummern findet man auf „Friendly Bacteria“ keine, dafür ist das Tempo dann doch zu sehr im mittleren Bereich angesiedelt. Aber wer einfach nur etwas gepflegt mitswingen will, der darf sich hier gerne von diesen etwas anderen Bakterien anstecken lassen.
TEXT: OLIVER ARMKNECHT