Die ewig wandelnden Architekten des klanglichen Chaos
In einer Welt, in der sich Bands oft mit dem Ruhm ihrer vergangenen Erfolge begnügen, weigern sich Einstürzende Neubauten, stillzustehen. Stattdessen schwimmen sie gegen den Strom und schaffen auch heute noch Musik, die vielleicht nicht mehr so roh und gefährlich, dafür aber unvorhersehbar wie eindringlich ist. Am 6. September, im ehrwürdigen Industrieambiente der Muffathalle in München, stellen sie ihr aktuelles Album Rampen (apm alien pop music) vor. Und vermutlich werden sie uns wieder einmal beweisen, warum sie die unangefochtenen Meister der Avantgarde sind.
Was 1980 in der geteilten Stadt Berlin begann, war nichts weniger als eine klangliche Revolution. Die frühen Werke der Einstürzende Neubauten waren ein ungezähmtes Biest – roh, chaotisch und gebaut aus den Trümmern einer zerfallenden Welt. Ihr Sound war eine wütende Kakophonie aus Lärm, klirrendem Metall und existentiellem Schmerz. Doch sie auf bloße Lärmarchitekten zu reduzieren, würde ihnen Unrecht tun. Im Laufe der Jahrzehnte hat die Band zahllose Metamorphosen durchlaufen, stets die Grenzen dessen verschiebend, was Musik sein kann, stets bereit, sich in unerforschtes Gebiet vorzuwagen.
Blixa Bargeld, N.U. Unruh, Alexander Hacke, Jochen Arbeit und Rudolf Moser sind nicht nur Musiker; sie sind klangliche Alchemisten. Ihr unermüdliches Streben nach neuen künstlerischen Zielen hat sie zu Projekten geführt, die sich jeder Kategorisierung entziehen. Ob es ihre Zusammenarbeit mit Heiner Müller an dem theatralischen Experiment Hamletmaschine ist, die zutiefst avantgardistische Musterhaus-Reihe oder das eindringlich kraftvolle Lament von 2014, eine musikalische Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg durch die Brille der Zerstörung der belgischen Stadt Diksmuide – Einstürzende Neubauten geben sich nie mit dem Erreichten zufrieden. Diese ständige Neuerfindung sorgt dafür, dass sie heute genauso vital und relevant sind wie zu Beginn ihres chaotischen Schaffens.
Die Befürchtung, dass ihr monumentales Werk die Band selbst überflügeln könnte, ist durchaus real. Doch Einstürzende Neubauten haben diesem Schicksal geschickt entgangen, indem sie sich weigern, zu Relikten ihrer eigenen Geschichte zu werden. Ihre Unberechenbarkeit hält sie frisch, und ihre Fähigkeit zur Innovation sichert ihnen nicht nur einen Platz in den Annalen der Musikgeschichte, sondern auch im Kanon der zeitgenössischen Avantgarde-Kunst. Auch wenn viele alteingesessene Fans die Rohheit der frühen Neubauten-Zeiten bemängeln.
Und so verwandelt sich die Muffathalle in München am 06. September Septemberabend in einen Tempel des Klangs und der Vision.
Live: Einstürzende Neubauten > Homepage // 06. September 2024 // Muffathalle // Beginn 20 Uhr // VVK 50 EUR zzgl. Gebühren