So viele Idioten, so wenig gute Beleidigungen. Wer auch bedauert, dass er gar nicht so viele Pfeile im Köcher wie verdiente Ziele vor Augen hat, für den haben Mineral jetzt Nachschub besorgt. Sogar einen ganz gemeinen Nachschub, denn sie zielen damit auf einen Bereich, der wirklich weh tut: die Fähigkeit, Witze zu erzählen.
„You laugh at everbody else’s jokes
because you ain’t got any of your own“
Klar, etwas seltsam ist die Beleidigung schon, aber das gilt auch für das dazugehörige Lied „Serial Monkey“. Zumindest dürfte es nur wenige Künstler geben, die von bösartigen Affen im Kopf singen, die unsere Pläne versauen. Dazu blubbern Elektroklänge durch die Ohrmuscheln, eine Frau fängt zwischendurch an zu lachen und ein Mann im Affenkostüm wirbelt zu einem rot-grünen Lichterinferno über die Bühne.
Einen ähnlich großen WTF-Moment haben Mineral auf „Plastic Ekphrastic“ sonst nicht auf Lager, ungewöhnlich ist deren Debütalbum aber bis zum Ende. Dabei bleibt das französisch-irische Quartett der elektronischen Musik treu, orientiert sich jedoch stärker an den Synthievorbildern aus den 80ern. Bestes Beispiel ist die fröhliche Popnummer „1989“, die einen auch musikalisch in eine Zeit zurücknimmt, als Bands wie The Human League oder Propaganda noch für Chartserfolge gut waren. Und auch Erinnerungen an „Video Killed the Radio Star“ werden wach.
Anlässe für derlei nostalgische Anflüge gibt es bei den zehn Liedern mehr als genug, wobei die Stimmung sonst eher eine melancholische ist. Das scheppernd-verspielte „Stone“ wäre auch auf einem Album von Jean Michel Jarre nicht verkehrt gewesen, bei „Love Divine“ und „Mis-Clos“ verspürt man plötzlich den Drang, seinen C-64 vom Dachboden der Eltern zu holen oder die alten Videokassetten von „Captain Future“ hervorzukramen. Anders als Jarre oder andere 80er-Synthiegrößen wie Mike Oldfield oder Tangerine Dream wird bei Mineral aber ausgiebig gesungen, und das von den Mitgliedern selbst. Und diese Stimmen sind so unterschiedlich wie die musikalischen Einflüsse der vier.
Talking Heads, The Pixies, Kraftwerk, The Beach Boys, Béla Bartók, Metronomy, Dirty Projectors, MGMT, Grandmaster Flash, The Smiths, Dionne Warwick – die Liste ihrer Lieblingsbands ist ebenso lang wie uneinheitlich. Und bei keinem Lied zeigt sich das besser als bei ihrem Magnus Opum, dem 13-minütigen „Atoms“. Da wechselt sich ein heiteres „Bom Bom“ mit tieftraurigen Passagen ab, schnell mit langsam, simple Melodien mit Klangteppichen, vor einem vorbeifliegenden Raumschiff wird über die Bedeutung von Liebe philosophiert und die Bandmitglieder dürfen mal abwechselnd, mal nacheinander singen. „You won’t play to the rules“, gibt eine Grabesstimme gleich zu Beginn zu verstehen. Indeed. Immer wenn man denkt, das Lied wäre nun vorbei, beginnt ein anderer Abschnitt, ein neuer Weg. Herkömmliche Songstrukturen, nein, das interessiert Mineral hier wenig.
Ein bisschen schade ist es dennoch, dass die gemeinen Affen sich nach dem Opener zurückziehen. Etwas mehr offensive Verrücktheit und mehr Upbeat-Nummern hätten dem Album ganz gut getan, ohne diese verschwimmen die Grenzen in der zweiten Hälfte zu sehr. Atmosphärisch ist das ohne Zweifel, aber eben tendenziell gleichförmig. Dennoch ist Mineral mit „Plastic Ekphrastic“ ein wirklich gutes Debütalbum geglückt, das schon mal einiges für die Zukunft verspricht. Und während der Nachfolger oder Auftritte in Deutschland derzeit tatsächlich noch Zukunftsmusik sind, können wir uns die Wartezeit immerhin damit versüßen, durch die Zeit zu reisen und unser Umfeld auf deren Humorlosigkeit aufmerksam zu machen.