pinparty2017

Im Gespräch:
Dorothée Wahl und Jochen Meister zum Jubiläum der PIN-Party

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PIN. Party 2017

Wenn es im München Herbst wird, ist ein besonderes kulturelles Ereignis in der Pinakothek der Moderne mittlerweile nicht mehr wegzudenken, die alljährige PIN. Party, die dieses Jahr das 15. Jubiläum am 18. November feiert.

Der Abend in der Rotunde des Museums samt der Benefizauktion zugunsten des Hauses lädt rund 800 Gäste, um als krönenden Abschluss eines jeden Jahres die Arbeit von PIN. Freunde der Pinakothek der Moderne e.V. zu würdigen und zu feiern. Der Verein hat sich dem Ziel verschrieben den Fortbestand der Pinakothek der Moderne und des Museums Brandhorst zu sichern. Die Benefizauktion während der PIN. Party ermöglicht mit dem Erlös der versteigerten Kunstwerke einen wesentlichen Teil der Arbeit von PIN.

Neben dem Ankauf von Kunstobjekten und der Unterstützung von Ausstellungsrealisierungen, geht ein nicht unwesentlicher Teil der erwirtschafteten Spendenerlöse für die Finanzierung von Vermittlungsprojekten. curt hat sich im Vorfeld der PIN. Party mit der Vorsitzenden von PIN., Dorothée Wahl und dem Leiter der Kunstvermittlung der Pinakotheken, Jochen Meister getroffen, um über die Aufgabe der Kunstvermittlung und die von PIN. unterstützten Vermittlungsprojekte zu sprechen.

Um was geht es bei der Kunstvermittlung, welche Ziele und Zielgruppen stehen im Vordergrund?

JM: In unserer Kunstvermittlung geht es um das Motto „Originale erleben“, das für alle Pinakotheken gilt. Was wir hier im Museum zeigen, sind Originalkunstwerke. Wir versuchen, Brücken zu bauen sowohl für Menschen, die zunächst einmal nichts mit Kunst anfangen können, als auch für Menschen, die damit schon vertraut sind und den Dialog suchen. Um diese Brücke zwischen Mensch und Kunstwerk zu bauen, braucht es für unterschiedliche Gruppen verschiedene Ansätze. Dabei gilt für mich, dass unser Programm so vielfältig sein sollte wie das Publikum, das wir uns im Haus wünschen, das heißt wir berücksichtigen Kinder genauso wie ProfessorInnen oder MigrantInnen, um im Klischee zu bleiben. Neben den speziellen Vermittlungsprogrammen haben wir ein tägliches Angebot an Führungen, die ganz unterschiedlich sind und bei denen der Dialog im Fokus steht. Die Vermittlung soll nicht nur Dinge wiederholen, die auch im Katalog stehen, sondern soll ein persönliches, individuell begeisterndes Erlebnis ermöglichen.

Die Idee Kunst zu vermitteln ist nicht unumstritten, sei es, weil dabei die Kunst selbst oder das Publikum zu viel oder zu wenig Beachtung finden. Wie sehen Sie das, birgt der Spagat zwischen der Aufgabe des Museums zu sammeln und zu bewahren und dem Bildungsauftrag, also zu vermitteln, Spannungen oder Herausforderungen?

JM: In letzter Zeit war es etwas en vogue zu sagen, dass es nur noch ums Vermitteln ginge und dies der Kunst schaden würde. Das ist eine Frage des Standpunktes und nicht an sich falsch. Doch wir zwingen natürlich niemanden, an Vermittlungsprogrammen teilzunehmen. Ich bin davon überzeugt, dass es für den Menschen, der es möchte, auch ohne Vermittlung funktioniert. Aber wir reden über Menschen, die eine Brücke suchen und benötigen, weil sie sonst den Graben, den eine Kulturinstitution traditionell noch um sich hat, nicht überwinden können.

Natürlich soll es eine Vermittlung sein, die mit dem Kunstwerk zu tun hat. Dies wiederum inkludiert, dass ein Kunstwerk im Museum in einer besonderen Situation ist, es ist der Öffentlichkeit sozusagen exponiert. Die Beobachtungen, die jeder machen kann, sobald er sich mit Kunst auseinandersetzt, werden natürlich davon beeinflusst, was jeder Einzelne in die Betrachtung an Erfahrungen einfließen lässt.

Die Künstler, die ihre Werke in die Öffentlichkeit geben, tragen das Berufsrisiko, dass ihre Werke interpretiert, betrachtet, verachtet, oder geschätzt werden. Als Vermittler hier im Haus tragen wir wiederum Verantwortung. Wir versuchen gemeinschaftlich im Schulterschluss mit Kuratoren, Fördern und Menschen, die mit der Kunst genauso leidenschaftlich umgehen wie wir, das Ganze in einen Dialog zu führen. Man kann es nicht allen recht machen, aber noch einmal gesagt: Brücken bauen ist für mich der Job und nicht Gräben ziehen.

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PIN. hat sich neben dem Ankauf von Kunstobjekten, um den Bestand der Sammlungen zu erweitern, auch die nachhaltige Entwicklung von publikumsorientierten Vermittlungsprojekten zum Ziel gesetzt. Warum ist die Förderung sozialer Vermittlungsprojekte für PIN. wichtig und wie hat sie sich entwickelt?

DW: PIN. versteht sich als ein großes Bindeglied. Wir verbinden das Museum mit unseren Mitgliedern aber auch mit der Öffentlichkeit. Die Öffentlichkeit meint sowohl Unternehmen, die hier in München oder in Bayern angesiedelt sind als auch die Bürger. Wir wollen gerne helfen den Weg ins Museum zu ebnen, sowohl den hier lebenden Bürgern oder Besuchern der Stadt, als auch den Unternehmen, die wie ich finde eine gesellschaftliche und kulturelle Verantwortung haben sich zu engagieren, und dies ist auch bei vielen der Fall. Für uns ist es sehr wichtig, dass das Museum die angekauften Werke immer wieder in neuen Zusammenhängen zeigen kann und zum Sprechen bringt. Es geht darum, das Verständnis zu sichern. Die Besucher sollen sehen, verstehen, lernen, sich entwickeln, ja, emotionalisiert werden. Das ist das was wir auf ganz unterschiedlichen Ebenen erreichen wollen: Für unsere Mitglieder, die sich schon länger mit Kunst beschäftigen, aber genauso für Jugendliche, Kinder, Zugereiste und Touristen.

Wir wollen erreichen, dass das Museum belebt ist, viele unterschiedliche Gruppen anzieht, und nicht als Mauern empfunden wird, die vielleicht etwas Interessantes aber Abweisendes an sich haben, vielmehr ein Ort, an dem auch Leben stattfindet. Etwas was mich selbst immer bewegt ist, dass man nach einem Besuch das Haus anders verlässt als man hineingegangen ist. Man hat eine emotionale Erfahrung gemacht, hat sich auseinandergesetzt, mit einem Werk, aber vielleicht auch mit sich selbst – und das ist das was wir erreichen wollen.

Um den Museumsbesuch selbstverständlicher zu machen, haben wir zunächst angefangen Kinderprojekte zu finanzieren. Neben dem Programm PIN.OCCHIO, das sich an Münchner Horte richtet und an vier Nachmittagen in Folge eine Begegnung mit Kunst ermöglicht, unterstützen wir das Sonntagsprogramm „Kinder können Kunst…“, das Kinder dazu einlädt, das Museum kennenzulernen. Nachdem die Kinder in der Regel nicht alleine kommen können, stellen wir in besonderen Fällen auch den Eltern das Eintrittsticket zur Verfügung, die Teilnahme ist für die Kinder ohnehin kostenfrei. Ferner hat dieses Jahr zum ersten Mal das Sommerferienprogramm stattgefunden, welches sechs Wochen á fünf Tage lang jeden Tag ein qualitativ hochwertiges Programm und Betreuung für Kinder anbot und somit vor allem berufstätigen Eltern, die nicht auf Großeltern oder sonstige Strukturen zurückgreifen können entgegenkam.

Ein Projekt, dass 2015 ins Leben gerufen wurde und von PIN. neben anderen Fördern von Anfang an getragen wird, ist das interkulturelle Programm YES, WE’RE OPEN! Wie entstand das Projekt und wie hat es sich entwickelt?

DW: Bei den Projekten ist es uns wichtig, inklusive Gruppen zu haben und auch Menschen unabhängig von Sprache oder Herkunft zu erreichen. So ist 2015 YES WE’RE OPEN entstanden, als uns die erste große Welle der geflüchteten Menschen erreichte. Am Anfang war Vieles improvisiert, und es ging vor allem darum, die Menschen für eine Teilnahme zu gewinnen, gerade wenn sie die Sprache nicht sprechen und sich hier nicht auskennen. Mit verschiedenen Themenschwerpunkte, mit Modedesignern, Musikern und Choreografen lief das erste Projekt in 2016 über sechs Wochen und endete in einem großen Abschlusstag mit einer Performance, an der alle Beteiligte mitgewirkt haben.

Inzwischen sind viele der Menschen, die zu uns kamen, etablierter in ihrer Situation und ihrem Umfeld, so dass diese intensive Betreuung, wie sie am Anfang war, nicht mehr so erforderlich ist. Die Erfahrungen, die wir anfangs sammelten, haben wir natürlich in die weitere Entwicklung des Programms mitgenommen. Nachdem die Menschen nun nach und nach in Prozess integriert sind, sei es Arbeit oder Sprachkurs, wurde ein Teil des Projekts zum Beispiel auf Samstag, den Open Saturday gelegt, zu dem man einfach ohne Anmeldung kommen kann.

JM: Es ist eine grundsätzliche Herausforderung, dass wir Leuten ein Angebot zur spontanen Teilnahme schaffen möchten. Insofern ist mit dem Samstagsprogramm unter YES, WE’RE OPEN jetzt ein ansprechendes Format entwickelt worden. Die ursprüngliche Idee war, verschiedene Projekte im Programm YWAO anzusiedeln. Daraus entstanden bis heute drei Projekte, von denen wir jetzt zwei fortführen, immer freitags KunstWerkRaum, ein offenes Programm mit Anmeldung, und der Open Saturday einmal im Monat, offenes Programm ohne Anmeldung. Damit ist der Bedarf, den wir gespürt haben, sehr gut abgedeckt.

Es ist mir wichtig zu sagen, dass wir das hier machen, weil wir der Meinung sind, dass eine Begegnung mit Kunst gesellschaftliche Relevanz hat. Es ist aber so, dass zum Beispiel Geflüchtete nicht von selbst in dieses Museum kommen. Wir haben deshalb konkret mit Helferkreisen zusammengearbeitet, uns beispielsweise mit der Kirchengemeinde St. Markus hier in der Nachbarschaft vernetzt und das Programm bekannt gemacht. Es sind einfache Aktivitäten in diesen Programmen, aber der Effekt war, dass viel gelacht wurde, es hat Spaß gemacht, die Menschen kamen ins Gespräch – und sind sich zugleich kreativ und in einer schöpferischen Auseinandersetzung mit großartigen Kunstwerken begegnet. Ich würde wirklich nicht behaupten, dass wir damit die Welt verbessern oder unzertrennliche Freundschaften geschaffen haben, aber für einen kleinen Moment nutzten wir die Chance zu zeigen, wie es auch gehen könnte, wenn wir miteinander reden, anstatt mit Vorurteilen aufeinander zu treffen. Es mag jetzt moralisch klingen, aber es geht uns nicht nur um Wissensvermittlung, sondern auch um Wertevermittlung.

DW: Wertevermittlung, ist etwas das auch PIN. bewegt. Unsere Wurzeln zu erkennen und sich damit auseinanderzusetzen. Diese Wurzeln gerade auch Menschen die hierhergekommen sind, verständlich zu machen ist eine wichtige Aufgabe. Woher kommt die europäische Kultur und vielleicht im Speziellen die Bayrische. Werte zu vermitteln ist eine Aufgabe der Kulturinstitutionen, und das wollen wir gerne unterstützen.

JM: Der entscheidende Punkt ist, Menschen, ob es Kinder, Senioren, oder Geflüchtete sind, themenzentriert zusammenzubringen. Die Pinakothek der Moderne ist das offene große Haus der Gegenwart. In dieser Gegenwart wollen wir als Museum reagieren und Türen öffnen, und so kam auch dieser programmatische Titel zustande.

DW: In der Pinakothek der Moderne haben wir die Möglichkeiten in vier verschiedenen Bereichen der vier Sammlungen aktiv zu sein. Wer sich vielleicht nicht unbedingt für klassische Malerei interessiert, kann immer noch in der Grafischen Sammlung, Architektur, oder Design etwas mitnehmen. Die vier verschiedenen Schwerpunkte, die wir bedienen können, bieten den Vorteil, Kinder und Erwachsene mit unterschiedlichen Interessen immer wieder zum Thema Wie verstehe ich zeitgenössische Kunst, Design, oder Bauen? hinführen zu können.

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Welche Bedeutung hat heutzutage die finanzielle Förderung durch private Geldgeber für die Vermittlungsarbeit?

JM: Natürlich hat die Förderung eine große Bedeutung, wie man merkt. Ohne sie könnten wir die Arbeit in diesem Ausmaß nicht machen. Gleichwohl ist es natürlich so, dass Vermitteln zu einer Grundaufgabe nicht nur des öffentlich finanzierten Museums gehört. Deshalb ist es mir wichtig zu sagen, dass die Vermittlungsarbeit, die wir hier machen, kein „nice to have“ ist. Die Strukturen sind von Haus aus so, dass hier immer etwas passiert. Es wird immer ein Programm angeboten, aber die Möglichkeiten, die wir durch die Zusammenarbeit mit Fördern bekommen, erlauben eine andere Qualität und Quantität, siehe das Sommerferienprogramm. Das Thema ist ja nicht nur auf die Vermittlung beschränkt, genauso können große Ausstellungen nur durch ein solches Zusammenspiel entstehen, insofern ist es ein Stück weit eigentlich der Normalzustand eines internationalen staatlichen Museums heute.

Es ist wunderbar, mitverfolgen zu können, was für ein Wandel in der Wahrnehmung der Bedeutung von Kunstvermittlung stattgefunden hat. Das zeigt sich auch an der „Hardware“: Wir haben lange Jahre das Problem gehabt, eigentlich gar keine adäquaten Räumlichkeiten im Museum für die Vermittlungsprojekte gehabt zu haben. Die Zusammenarbeit hat dazu geführt, dass wir jetzt immerhin einen riesigen Ausstellungsraum umwidmen konnten. Das ist einerseits eine ganz blöde Situation, Ausstellungsräume umzuwidmen, also den eigentlichen Ausgangspunkt unserer Arbeit einzuschränken, und ist zugleich was ganz Tolles und ein großes Zeichen von Wertschätzung, dass wir nun diesen Raum nutzen.

DW: Man darf nicht übersehen, dass die Institutionen mit knappen Mitteln ausgestattet sind und mit ihren Budgets kämpfen. Ohne die Unterstützung würde zwar was passieren, aber bei weitem nicht in diesem Umfang. Man könnte sagen, dass der Staat damit eigentlich fast ein bisschen rechnet, dass sich das Bürgertum so einsetzt, damit die Dinge auch weiterlaufen. Alle haben erfasst, dass das Haus nur belebt wird, wenn man neue Besuchergruppen auch aktiv anzieht. Das ist nichts Neues und der einzige Weg wie wir es schaffen, dass die Menschen sich mit der Kunst beschäftigen und die Kultur lebendig bleibt. Das Museum hat ja die Aufgabe, zu sammeln und zu bewahren, um die Entwicklung der Gesellschaft und Kultur wiederspiegeln zu können. Das geht nur, wenn man immer wieder mit neuen Zielgruppen in den Dialog tritt. Und das hat sich hier über die Jahre sehr gut manifestiert, weshalb wir auch sehr froh sind, dass diese Projekte so gut funktionieren.

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Text und Fotos: Margarita Sereda-Wildenauer