Abby Band
Foto: Christin Büttner

Im Gespräch:
Filou und Tilly von ABBY

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Schon mal was von ABBY gehört? Wenn nicht, dann solltet ihr das schleunigst nachholen. In München wird die junge Berliner Band am 18. Oktober im STRØM zu sehen sein. curt hatte vorab die Möglichkeit, Sänger Filou und Gitarrist Tilly zu treffen.

Filou und Tilly erscheinen pünktlich und bestens gelaunt auf der Sonnenterrasse am Nordbad. Von den Göttern bevorzugte, junge, schöne Männer mit dem genau richtigen Maß an Muskeln, perfekten Zähnen, vollem Haarwuchs – sportlich und lässig zugleich. Kurzum: makellos. Allein der Anblick löst beim durchschnittlichen Betrachter eine Depression aus. Wenn es also mit der Band ABBY – wider Erwarten – nicht klappen sollte, können sie in jedem Fall immer noch als Fotomodell Karriere machen. Filou bestellt sich stilles Wasser und Tilly gesundes Essen. Es ist das letzte Interview eines langen und anstrengenden Tages, quasi auf dem Weg zum Flughafen.

Einige Münchner haben euch ja bereits kennengelernt. Zuletzt habt ihr im Mai im ausverkauften Milla gespielt.
TILLY: Witzig mit der Treppe. Dass da keiner runtergefallen ist …

Woher kommt ihr eigentlich ursprünglich?
FILOU: Ich komme direkt aus Mannheim.
TILLY: Und ich aus dem Allgäu. Henne ist aus Stuttgart und Lorenzo aus Wiesbaden.

Abby Band
© Nico Wöhrle

Und warum seid ihr nach Berlin gezogen?
TILLY: Zum einen natürlich wegen der Musik. Aber auch wegen der Stadt an sich, die hat uns gereizt. Die Lebensqualität. Man sagt: „In Berlin ist alles sechs Stunden später. Das ist die Zeitverschiebung zum übrigen Deutschland.“ Entspricht natürlich unserem Naturell. Ich hab ja in München Zivildienst gemacht. Ich weiß daher, dass München eher sehr traditionsbewusst ist. (schmunzelt) In Berlin könnten wir genau jetzt (17.41 Uhr) die geilste Party verpassen.

Der Bandname ABBY hat nichts zu tun mit Abbey Road. ABBY ist auch keine Abkürzung. Abby gibt es unter einem anderen Namen wirklich. Real existierender Poetismus? Reality MC?

Wie funktioniert das mit der „echten“ Abby, die ja eure real existierende Freundin ist? Trefft ihr sie? Erzählt sie euch Geschichten?
FILOU: Abby ist eine Frau, die wir alle kennen, aus deren Sicht die Geschichten in den Texten erzählt werden. Wir nennen es gerne „True Fiction“. Die Geschichten in den Texten sind gelebte Geschichten, teilweise aus unserem Freundeskreis. Natürlich geht es auch um uns. Aber das ganze Konzept ist aus der Idee heraus geboren, dass ich so dasaß und dachte: „Ich will nicht so von Text zu Text gehen. Ich brauche einen Rahmen.“ In so einem Rahmen ist ja noch alles möglich. Da kann ein politisches Album entstehen. Da kann man Geschichten erzählen. Aber alles ist immer in diesem Rahmen.
TILLY: Aber es fühlt sich gar nicht mehr an wie ein Konzept. Konzept ist so ein blöder Begriff. „Abby“ ist unser roter Faden. Eigentlich ist sie unsere Muse.

Eure aktuelle Single heißt „Evelyn“ – eine der fünf Personen, um die es auf „Friends and Enemies“ geht. Wer ist Evelyn?
FILOU: Auch jemand aus dem Bekanntenkreis. Eigentlich geht es darum, dass im Freundeskreis jemand verloren gegangen ist, jemand gestorben ist. Und Evelyn kann das nicht verarbeiten. Und da haben wir gesagt: „Wir picken das jetzt auf, wir nehmen dich da mit. Wir ziehen jetzt zusammen los und du gehst heute mit.“

„Friends and Enemies“ wurde in London in den Kensaltown Studios aufgenommen. Eine außergewöhnliche Konstellation, die sich über den Manager Michael Dixon, einem der ganz Großen im Popgeschäft, ergeben hat.

Wie war die Zeit in London?
FILOU: Das war eine krasse, schöne Zeit. Wir haben ganz low-budget-mäßig in der Wohnung unseres Managers in London gelebt. Das heißt, wir haben das Wohnzimmer für sechs Wochen am Stück blockiert und dort auf dem Boden geschlafen. Wir sind aber rund um die Uhr im Studio gewesen – und zwar sieben Tage die Woche. Es war sehr inspirierend in London, weil die Umgebung so neu war. Es ist zwar schön, wenn man zu Hause weiß, wo man hingreifen muss. Aber es tut auch gut, wenn alles anders ist. Das Studio war wie ein Segelboot: alles aus Holz und ganz viele analoge, alte Geräte. Da blühen wir auf wie kleine Kinder. Für uns war das wie Urlaub: sieben Wochen nicht den gewohnten Alltag zu haben, abzutauchen, Handy aus und Laptop zu. Nur Musik machen.

Habt ihr euch auf so engem Raum nicht gegenseitig genervt?
TILLY: Schon ein bisschen gekabbelt. Aber wir sind wie Brüder. Eine Entenfamilie. Wenn wir irgendwo unterwegs sind, ist der Maximalabstand zwischen den Personen höchstens sieben Meter.

Woher könnt ihr so gut Englisch?
FILOU: Ich hatte das Glück, dass mein Gesangslehrer Engländer war. Ich habe mit acht, neun Jahren angefangen. Hab klassischen Gesangsunterricht gehabt. Ich wollte eigentlich an die Oper. Mit diesem Gesangslehrer hab ich untypischerweise viele klassische englische Stücke erarbeitet. Nicht nur die italienischen und deutschen. Mein Lehrer war ein Perfektionist, auch was die Aussprache angeht. Beim Sprechen habe ich deshalb einen viel stärkeren englischen Akzent als beim Singen. Dann war ich zusätzlich drei Jahre lang auf einem Internat, auf dem viel Englisch gesprochen wurde. Auch mit englischen Lehrern. Also auch im Alltag englisch reden. Das hat alles dazu beigetragen, dass ich mit 15, 16 meine ersten Texte auf Englisch geschrieben habe. Die waren ziemlich rappy am Anfang. Aber dann hab ich immer weiter geschrieben und geschrieben. Irgendwann hat sich das dann so entwickelt, dass das passt.

Das klingt nach großzügiger Förderung. Seid ihr in eurem Werdegang unterstützt worden?
FILOU: Von den Eltern sehr. Wir haben ja alle eine klassische Ausbildung gemacht und schon so früh Musik machen dürfen. Sonst wäre das alles gar nicht möglich gewesen.
TILLY: Auch von Freunden. Der Freund meiner Schwester hat mir meine erste Gitarre geschenkt. Vielleicht hätte ich sonst nicht damit angefangen.

Wer schreibt bei ABBY die Texte?
FILOU: Ich. Bei „Friends and Enemies“ ist es tatsächlich so gewesen, dass wir erst die Musik gemacht haben, alle zusammen. Wir schreiben ja alle vier Songs. Und dann hab ich die Texte und die Gesangsmelodien gemacht. Für das kommende Album bin ich aktuell schon an den Texten dran. Ich versuche diesmal, die Texte vor der Musik zu machen, um den Prozess des Musikmachens mehr genießen zu können. Bei „Friends and Enemies“ gab’s dann auf einmal plötzlich viel zu tun.
TILLY: Ja, da ist er ziemlich in die Bredouille gekommen.

Literarische Ambitionen?
FILOU: Ich kann mir vorstellen, mal Kurzgeschichten zu schreiben. Es ist auch schon die Idee entstanden, einen Film zu schreiben über Abby. Wir würden das dann auch gemeinsam vertonen und verfilmen. Da brauchen wir uns dann gegenseitig, um das auch visuell umsetzen zu können. Momentan hab ich aber nicht die Zeit, um so lange Sachen zu schreiben. Aber ich hab viele Ideen im Hinterkopf und hoffe, die alle umsetzen zu können und dadurch auch zu überraschen. Ich könnte mir vorstellen, dass bei unserem nächsten Album ein kleines Buch dabei ist.

Und wie schreibt ihr die Musik?
FILOU: Die Musik entsteht an der Gitarre oder am Klavier. Da hat man so Ideen. Aber wir sind auch eine Live-Band. Da findet sich auch viel beim Spielen.

Ihr seid ja ungeheuer fleißig: Tourneen, Konzerte … dauernd unterwegs. Braucht ihr nicht mal Urlaub?
TILLY: Wir sind viel unterwegs, aber das ist eine gute Zeit. Wir genießen das. Urlaub machen wir im Winter. Im Sommer müssen wir ja viel spielen. Festivals und so. Außerdem ist der Sommer in Berlin zu geil. Aber im Januar, Februar , wenn es mit der kalten Jahreszeit reicht, da fliegen wir in den Süden.

PR und Interviews en masse in Radio, Presse, überall … Arbeitet ihr jetzt auf eine internationale Karriere hin?
FILOU: „Friends and Enemies“ kommt jetzt erst mal nur in Deutschland und der Schweiz raus. Wir arbeiten natürlich daran, es auch im restlichen Europa zu releasen. In England kommt erst mal eine EP raus. Es gibt viele Pläne, die noch viel Arbeit machen, aber es geht grad richtig ab.

Müsst ihr nebenher arbeiten oder seid ihr schon eine Full-time-Band?
FILOU: Mittlerweile ja. Wir leben von der Musik. Wir haben noch ein Tonstudio in Berlin. Da sind die anderen beiden auch jetzt gerade am Arbeiten. Wir produzieren Alben, alle Stile.

Wäre das der Horror für euch, der Super-Pop-Erfolg?
FILOU: Es kommt auf den Weg an. Pop ist für mich nichts Negatives. Coldplay zum Beispiel haben ein wunderschönes Album gemacht und waren damit weltweit am Start. Wir sind ja keine künstliche Band. Wir haben uns als Freunde gefunden und machen was gemeinsam. Und zwar das, was wir wollen. Und wenn dann der Erfolg kommt, dann ist es ein Erfolg. Aber wir lassen trotzdem nicht auf dem Weg dorthin alles mit uns machen, sondern wir sagen: „Wir wollen so ein Video. Wir wollen auch nicht so oder so aussehen, sondern wir machen unseren Stiefel. Wenn das angenommen wird und das eben Pop-Musik ist, dann ist das eben so, dann denk ich: „Ja schön!“
TILLY: Wir machen, was wir wollen. Schön, wenn uns das eine gute Zeit beschert. Wir würden aber unsere Musik nicht so konzipieren, dass „Erfolg“ von vornherein funktioniert.

Wie ist es mit Klamotten?
FILOU: Wir haben da auch eine komplett unterschiedliche Haltung dazu. Die einen legen mehr Wert auf Klamotten, die anderen nicht. Das macht jeder, wie er will. Viel Geld ausgeben für Designerklamotten ist nicht.
TILLY: Wir nehmen die Schere und schneiden den Kragen ab oder so. Wir mögen ganz klar Secondhand-Klamotten. Die erzählen immer die bessere Geschichte. Und auf Marken stehen wir überhaupt nicht. Wir haben nirgendwo einen Aufdruck drauf.
FILOU: Aber ein Band-T-Shirt von einer anderen Band würden wir anziehen.
TILLY: Aber mit irgendeiner Firma drauf würde ich mich nicht mal auf die Straße trauen.

Ihr bietet auf eurer Website searchingforabby.de nicht nur künstlerisch aufbereitete Songtexte, sondern auch ein Gewinnspiel.
TILLY: Das haben wir uns selbst ausgedacht. Wir müssen den Leuten ja auch was bieten.

Dann erwartet München euch gespannt am 18. Oktober im STRØM.
FILOU: Still Parade hat die Tour abgesagt. Der hat gerade keinen Bock, live zu spielen. Dafür kommen jetzt Children mit. Der Manager von Still Parade und Children ist ein sehr guter Freund von uns. Und wenn wir 26 Termine bei der Tour haben, ist es natürlich gut, wenn wir uns mögen. Da wollen wir natürlich die Familie mitnehmen.

Das Interview führte Sonja Pawlowa.

Aufmacherfoto: Christin Büttner