Auf einen Whiskey mit Dracula! Moderner Jazz, wie er besser kaum auf die Bühne geschickt werden kann, kommt diesmal nicht etwa aus Chicago oder New Orleans. Nein, weit gefehlt! Ausgerechnet das beschauliche Mühlheim an der Ruhr ist die Geburtsstätte einer der interessantesten Kombos der letzten Jahre. Bohren & Der Club of Gore betouren 2014 nicht nur das breite Ausland, sondern kehren mit dem neuen Langspieler „Piano Nights“ auch vor der eigenen Haustür.
Wer wissen will, wie sich der wohlig warme Schauer anfühlt, der einem den Rücken herunterläuft, wenn sich zwölf Geisterhände dem ambient doom jazz verschreiben, ist am 27. März im Freiheiz bestens aufgehoben! (Wegen der großen Nachfrage wurde das Konzert vom Milla ins Freiheiz verlegt!)
Drei Jahre haben die Fans der langsameren Spielart warten müssen, bis sich die vier apokalyptischen Jazzer aus deutschen Landen wieder hinter Saxophon, Mellotron, Kontrabass oder Vibraphon klemmen und ihre doom ridden jazz music unters Volk tragen. Was vor dem Gründungsjahr 1992 noch seine Wurzeln im Grind- und Hardcore hatte, erlebte Anfang der 90er einen radikalen Stilbruch.
Weg von schreienden Gitarren und schnellen Bassdrums, stiegen Thorsten Benning, Reiner Henseleit, Morten Gass und Robin Rodenberg mit dem Namen Bohren & Der Club of Gore hinab in die Gruft und widmeten sich fortan spinnenbewebten und mörderisch tief-tropfenden Klangwelten. Ganz instrumental und ohne Schnickschnack entstand der ganz eigene Stil zwischen getragenen Jazz-Balladen und abgrundtiefen Doom-Gitarren.
1997 erfolgte mit dem Weggang von Henseleit nicht nur die endgültige Wegrationalisierung aller metallenen Elemente, sondern auch der finale Abschwung in die Tiefen des melancholischen Horror-Jazz. Zusammen mit dem Kölner Saxophon- und Pianisten Christoph Clöser kam es 2002 mit dem vielbeachteten Album „Black Earth“ zum internationalen Durchbruch. Zwei nicht weniger gefeierte Einspielungen später wurde auch Faith No More-Mastermind Mike Patton auf die vier Grim Reaper aufmerksam und schenkte Bohren & Der Club of Gore auf deren EP „Beileid“ höchstpersönlich ein paar gehauchte Zeilen Text. Die Kritiker sprangen im Dreieck.
Das Experiment war geglückt und auch wenn man sich musikalisch nicht allzu sehr von der bisherigen Grusel-Oper entfernt hatte, kehrt der blutige Club auf „Piano Nights“ dennoch zu seinen Wurzeln zurück. Der fein ziselierte und mächtig entschleunigte Geisterhaus-Jazz bleibt das Markenzeichen der Band. Dabei verstehen sie es immer noch wie kein anderer, diesen einer ungewöhnlich breiten Fan-Gemeinde zugänglich zu machen. Die Atmosphäre ist dichter denn je, während Bohren jeden Ton bis ins Unendliche dehnen. Düstere Geborgenheit ist das Stichwort.
Neun neue Stücke sind Bohren & Der Club of Gore jüngst entsprungen. Und diese Neun wollen samt Altbewährtem gehört werden. Spätestens dann, wenn am 27. März die Turmuhr schlägt und Deutschlands gruseligster Club zur entspannten Geisterfahrt ins Freiheiz lädt. Getreu dem Motto mit Augenzwinkern: Other bands play, Bohren bore!
TEXT: Tim Brügmann